Frankfurt (Reuters) – Der jüngste Inflationsschub in Deutschland wird aus Sicht der Bundesbank länger anhalten als bisher gedacht.
Die Notenbank schraubte in ihrer am Freitag veröffentlichten Halbjahresprognose ihre Vorhersagen deutlich nach oben. Für das laufende Jahr geht sie nun von einer Inflationsrate von 3,2 Prozent aus statt wie noch im Juni von 2,6 Prozent. Für 2022 erwarten die Bundesbank-Experten sogar einen Anstieg der Lebenshaltungskosten von 3,6 Prozent. Damit fällt ihre Prognose für nächstes Jahr doppelt so hoch aus wie noch im Juni.
“Für die Inflationsrate überwiegen wie im Euro-Raum insgesamt die Aufwärtsrisiken”, warnte der scheidende Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. “Die Geldpolitik sollte diese Risiken nicht ignorieren und wachsam bleiben.” Weidmann tritt nach mehr als zehn Jahren als oberster deutscher Währungshüter zum Jahresende vorzeitig ab. Aus Sicht der Bundesbank geht der jüngste Inflationsanstieg nicht nur auf die ausgelaufene Senkung der Umsatzsteuern oder die Einführung von CO2-Emissionszertifikaten zurück. So seien auch die Energiepreise überraschend stark gestiegen. Zudem wälzten Unternehmen höhere Kosten aufgrund von Liefer- und Transportengpässen auf die Verbraucher ab und weiteten bei starker Nachfrage ihre Gewinnmargen aus.
Erst mit dem Abebben dieser Faktoren im Jahr 2023 wird die Inflation aus Sicht der Bundesbank wieder sinken. Sie bleibe aber mit 2,2 Prozent in den Jahren 2023 und 2024 vergleichsweise hoch. Die Rate in Deutschland würde damit zudem oberhalb der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen, die mittelfristig für den gesamten Euro-Raum zwei Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft anstrebt.
REKORDINFLATION IM EURO-RAUM IM NOVEMBER
Im November stieg die Teuerung in der Euro-Zone auf ein Rekordniveau von 4,9 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte.[L8N2T229A] Es ist das bislang höchste Niveau seit Beginn der Messung im Jahr 1997 und liegt mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der EZB. Der stärkste Preistreiber war Energie mit einem Plus von 27,5 Prozent. Ohne Energie und unverarbeitete Lebensmittel läge die Inflation im November insgesamt nur bei 2,6 Prozent.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde geht davon aus, dass die Teuerung im Währungsraum zwar kurzfristig hoch bleiben, sich im Laufe des kommenden Jahres aber abschwächen wird. Frankreichs Notenbank-Chef Francois Villeroy de Galhau erwartet, dass die Inflation jetzt bald ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Volkswirte der EZB rechnen damit, dass die durchschnittliche Teuerungsrate in der Währungsunion 2022 bei 3,2 Prozent liegen wird und dann 2023 und 2024 auf jeweils 1,8 Prozent absinken wird. Einige Notenbankchefs der Euro-Zone sehen Insidern zufolge diesen Inflationsausblick aber skeptisch. Aus ihrer Sicht könnte die Rate womöglich höher ausfallen.