USA erinnern an Kapitol-Erstürmung vor einem Jahr

Washington (Reuters) – Mit Mahnwachen und Gedenkveranstaltungen begehen die USA am Donnerstag den ersten Jahrestag der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump.

Zum Auftakt ist eine Rede von Trumps Nachfolger Joe Biden geplant. Er will an die dramatischen Geschehnisse des 6. Januars 2021 erinnern und vor den Gefahren für die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit warnen. Besonders würdigen will der Präsident nach Angaben seiner Sprecherin Jen Psaki zudem Einsatz der Sicherheitskräfte, die sich Tausenden Trump-Anhängern entgegenstellten, als diese gewaltsam und randalierend in den Parlamentssitz eindrangen, um letztendlich erfolglos die offizielle Anerkennung von Bidens Wahlsieg durch Senat und Repräsentantenhaus zu verhindern.

Neben Bidens Rede sind zahlreiche weitere Veranstaltungen vorgesehen, darunter Mahnwachen im ganzen Land. Trump sagte hingegen eine für Donnerstag geplante Rede kurzfristig ab. Einen genauen Grund nannte er nicht, kündigte aber einen Auftritt für den 15. Januar in Arizona an. Einige seiner Anhänger wollen gleichwohl am Abend eine Mahnwache vor einem Gefängnis in Washington abhalten, in dem einige der Teilnehmer der Ausschreitungen vor einem Jahr einsitzen.

Die Erstürmung des Kapitols, einem der wichtigsten Symbole der Demokratie, gilt als einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der USA. Trump-Anhänger waren in Scharen nach Washington zu einer Veranstaltung mit dem Motto “Rettet Amerika” in einem Park in der Nähe des Weißen Hauses gekommen. Der Republikaner Trump hatte die Präsidentenwahl zwei Monate zuvor gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren, weigerte sich aber beharrlich, seine Niederlage anzuerkennen. Stattdessen machte er angeblichen Wahlbetrug aus und behauptete beständig, der Sieg sei ihm “gestohlen” worden – so auch in der 70-minütigen Rede, die er vor seinen Anhängern an jenem 6. Januar hielt und in der er diese dazu aufrief, “wie die Hölle zu kämpfen”.

Noch während der Rede zog gegen 13.00 Uhr (Ortszeit) ein erster Schwung von Trumps wütenden Zuhörern zum Kapitol, gefolgt wenig später von Tausenden weiteren. Sie rissen Barrikaden nieder, attackierten Polizisten, schlugen Scheiben ein und bahnten sich Wege in das Gebäude, während im Inneren die Kongressmitglieder dabei waren, Bidens Wahlsieg offiziell zu zertifizieren. Einige drangen in Abgeordnetenbüros und sogar den Senats-Sitzungssaal vor. Abgeordnete mussten in Sicherheit gebracht werden. Erst Stunden nach den ersten Gewaltausbrüchen rief Trump seine Anhänger zum Abzug auf, würdigte sie aber zugleich mit Worten wie “Wir lieben euch”. Gegen 17.30 Uhr trafen die ersten Nationalgardisten am Kapitol an. Die Gewalt hatte sich zu dem Zeitpunkt weitgehend gelegt. Gegen 20.00 wurde das Gebäude für gesichert erklärt und spät in der Nacht zum 7. Januar Bidens Wahlsieg schließlich bestätigt.

Insgesamt starben bei der Erstürmung vier Randalierer. Ein Polizist erlitt Schlaganfälle und starb tags darauf. Dutzende Einsatzkräfte wurden verletzt. Vier weitere an dem Einsatz beteiligte Polizisten haben sich zudem seither das Leben genommen.

Die Vorgänge unterstrichen, welch tiefe Risse durch die US-Gesellschaft gehen. Biden hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Amerikaner wieder zu einen. Doch diesem Ziel ist er nach Ansicht zahlreicher Beobachter noch nicht viel nähergekommen, seit er zwei Wochen nach der Kapitol-Erstürmung vereidigt wurde.

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