Ifo hebt Inflationsprognose für 2022 auf vier Prozent an

Berlin (Reuters) – Das Ifo-Institut hat wegen teurer Energie seine Inflationsprognose für dieses Jahr deutlich heraufgesetzt.

Die Verbraucherpreise dürften mit durchschnittlich 4,0 Prozent schneller zulegen als 2021 mit 3,1 Prozent, wie die Münchner Forscher am Montag vorhersagten. Das wäre der stärkste Anstieg seit 1993 mit damals 4,5 Prozent. Das Institut hob damit seine alte Prognose vom Dezember merklich an, die noch bei 3,3 Prozent gelegen hatte. Grund für die Aufwärtskorrektur ist auch die aktuelle Ifo-Umfrage, nach der immer mehr Unternehmen ihre Preise weiter anheben wollen: Das Barometer für die Preiserwartungen für die nächsten drei Monate stieg im Januar um 1,3 auf 46,0 Punkte und erreichte damit einen Höchststand.

“Die Unternehmen geben die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren an ihre Kunden weiter”, sagte dazu der Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen, Timo Wollmershäuser. “Das wird bis auf die Verbraucherpreise durchschlagen.” Die Inflationsraten dürften daher noch eine Weile über der Marke von vier Prozent liegen, nachdem sie zum Jahresauftakt 4,9 Prozent betragen hatte. Das Ifo erwartet damit eine deutlich stärkere Teuerung als die Bundesregierung. Diese geht in ihrem Jahreswirtschaftsbericht für 2022 lediglich von einer Steigerungsrate von 3,3 Prozent aus.

“WIR DÜRFTEN FRÜHER HANDELN”

Auch wegen der harnäckig hohen Inflation in Europas größter Volkswirtschaft könnte die Europäische Zentralbank den Weg für eine Zinswende wohl früher freimachen. Falls der Arbeitsmarkt weiter rund laufe und die Wirtschaft auf Kurs bleibe, sei die Richtung klar, sagte EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir dürften früher handeln als wir es in der Vergangenheit angenommen haben.” Es sei derzeit verfrüht, schon einen speziellen Monat für eine Zinserhöhung zu nennen. Der an Finanzmärkten als möglicher Zeitpunkt für eine Anhebung gehandelte Juli sei eher unwahrscheinlich: Dazu müssten die Anleihenzukäufe der EZB in einem “extremen und unwahrscheinlich schnellen Tempo” abgebaut werden, sagte Kazaks.

Angesichts der zu Jahresbeginn im Euro-Raum überraschend weiter gestiegenen Inflation war die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, vorige Woche ein Stück weit von ihrer früheren Absage an eine Zinswende in diesem Jahr abgerückt. Die Teuerung war im Januar im Euro-Raum überraschend auf 5,1 Prozent geklettert und damit noch weiter über das EZB-Ziel von zwei Prozent hinausgeschossen.

Die sehr hohen Umfragewerte bei den Preiserwartungen der Unternehmen ziehen sich durch alle Wirtschaftszweige, so das Institut. Besonders hoch lagen sie im Großhandel mit 60,3 Punkten, gefolgt vom Einzelhandel (57,7) und der Industrie (55,6). Einen neuen Höchststand erreichten die Dienstleister mit 41,9. Das Baugewerbe lag bei 41,5.

Diese Saldenwerte bei den Preiserwartungen geben an, wie viel Prozent der Unternehmen ihre Preise erhöhen wollen. Abgezogen wird der Prozentwert derer, die ihre Preise senken wollen. Wenn alle befragten Unternehmen beabsichtigten, ihre Preise zu erhöhen, läge der Saldo bei plus 100 Punkten. Würden alle ihre Preise senken wollen, läge er bei minus 100. Neutrale Antworten bleiben unberücksichtigt. Der Saldo wurde saisonbereinigt. Das Ifo-Institut fragt die Unternehmen nicht nach der Höhe der geplanten Preisänderung.

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