– von Darya Korsunskaya und Andreas Rinke
Moskau/Kiew (Reuters) – Entgegen der US-Warnungen vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine kommen aus Moskau versöhnliche Töne.
Präsident Wladimir Putin ließ am Montag signalisieren, dass er zu weiteren Gesprächen bereit sei, wie dies Außenminister Sergej Lawrow im Streit über russische Sicherheitsgarantien vorgeschlagen hat. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte aber, es gebe keinen Hinweis auf eine russische Deeskalation. Zu erkennen sei vielmehr ein fortgesetzter Aufmarsch russischer Truppen. US-Außenminister Antony Blinken kündigte an, die US-Botschaft werde aus Kiew nach Lwiw verlegt – im Westen des Landes etwa 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich in Kiew mit Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und kündigte weitere finanziellen Hilfe an.
Lawrow sagte in einer im Fernsehen übertragenen Unterredung mit Präsident Putin, ein weiterer Dialog mit dem Westen über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien sei möglich. “Wir haben mehr als einmal davor gewarnt, dass wir nicht endlos verhandeln über Fragen, die heute schon eine Lösung erfordern”, sagte Lawrow. Er fügte aber hinzu: “Es scheint mir, dass unsere Möglichkeiten bei weitem noch nicht am Ende sind.” Die USA hätten konkrete Vorschläge gemacht, um die militärischen Risiken für Russland zu verringern. Die Antworten von EU und Nato auf die Forderungen Russlands seien indes nicht zufriedenstellend, da Moskau eine Position der einzelnen Staaten fordere.
SCHOLZ KÜNDIGTE HILFEN AN
Russland hat an der Grenze zur Ukraine mehr als 100.000 Soldaten zusammengezogen. Zudem hat das russische Militär Manöver mit dem Verbündeten Belarus nördlich der Ukraine sowie im Schwarzen Meer südlich des Landes begonnen. Den Vorwurf einer geplanten Invasion weist die Regierung in Moskau zurück und verweist auf ihre Forderung nach Sicherheitsgarantien. Eine Hauptforderungen Russlands ist die Garantie, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird. Eine solche Zusage lehnt der Westen ab. Selenskyj erklärte, sein Land strebe nach wie vor die Mitgliedschaft an. “Wir sollten den Weg, den wir eingeschlagen haben, weitergehen”, sagte er nach dem Treffen mit Scholz. Allerdings sei keine baldige Aufnahme zu erwarten. Scholz erklärte, die Frage einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine stehe nicht auf der Tagesordnung.
Der Kanzler kündigte weitere Hilfen für die Ukraine an. Seine Regierung werde 150 Millionen Euro aus einer alten Kreditlinie freigeben und weitere 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren. Scholz drohte Russland im Falle einer militärischen Eskalation erneut mit scharfen Sanktionen des Westens. “Die territoriale Integrität (…) der Ukraine ist für Deutschland nicht verhandelbar.” Selenskyj bezeichnete die umstrittene Nord Stream 2-Gaspipeline als geopolitische Waffe, weshalb sein Land Sicherheitsgarantien bei der Energieversorgung brauche. Am Dienstag reist Scholz nach Moskau, wo er mit Putin zusammentrifft.
Am Mittwoch will die ukrainische Regierung dann einen Tag der Einheit feiern. “Man hat uns gesagt, dass der 16. Februar der Tag des Angriffs sein wird”, erklärte Selenskyj in einer Videoansprache. “Wir werden ihn zu einem Tag der Einheit machen.” Westliche Medien hatten unter Berufung auf US-Kreise berichtet, ab Mittwoch stünden die russischen Truppen für eine etwaige Invasion bereit. Ein Regierungsberater sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Selenskyj habe mit Ironie darauf geantwortet, als er das Datum nannte. “Es ist durchaus verständlich, dass die Ukrainer heute skeptisch sind, wenn in den Medien verschiedene ‘konkrete Daten’ für den sogenannten ‘Beginn der Invasion’ angekündigt werden”, sagte er. “Wenn der ‘Beginn der Invasion’ zu einer Art rollendem Tournee-Datum wird, kann man solche Medienankündigungen nur mit Ironie aufnehmen.” Die Börsen hatten auf die Worte Selenskyjs zunächst mit Abschlägen reagiert.