– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Deutschland steht vor weitreichenden Lockerungen in der Corona-Pandemie.
Bund und Länder sind sich einig, dass sie in der heutigen Spitzenrunde Beschränkungen in drei Schritten zurücknehmen wollen. Das geht aus den Entwürfen der SPD- und Unions-geführten Länder zur Vorbereitung der Runde von Kanzler Olaf Scholz mit den 16 Ministerpräsidenten am Mittwochnachmittag hervor. Laut den Reuters vorliegenden Entwürfen sind sich die Beteiligten bereits einig, dass zunächst die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene sowie 2G-Regeln im Handel fallen sollen. Am 4. März sollen dann für Gastronomie und Hotels wieder eine 3G-Regel gelten (geimpft, genesen, getestet). Dann sollen auch Diskotheken und Bars wieder öffnen können und neue Obergrenzen für Großveranstaltungen gelten. Die Höchstgrenze für Außenveranstaltungen soll auf 25.000 Besucher hochgesetzt werden, die in Innenräumen auf 6000 oder eine maximale Auslastung von 60 Prozent.
Ab dem 20. März sollen dann alle schwerwiegenden Corona-Beschränkungen fallen, auch verpflichtende Homeoffice-Regelungen. Umstritten ist aber noch, ob dafür Bedingungen formuliert werden. Die Unions-Länder schlagen in ihrem Entwurf eine Formulierung vor, diesen letzten Schritt ausdrücklich an die Situation im Gesundheitssystem zu koppeln. Nordrhein-Westfalens-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte am Mittwoch davor gewarnt, zu früh zu öffnen und sich dem Risiko auszusetzen, dann eine neue Pandemie-Welle auszulösen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete vor den Beratungen eine sich abflachende Omikron-Welle: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank den vierten Tag in Folge und liegt nun bei 1401,0 nach 1437,5 am Vortag. Allerdings lag die Zahl der Neuinfektionen mit 219.972 Neuinfektionen binnen 24 Stunden immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Weitere 247 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten war am Dienstag wieder auf 2450 gestiegen, weil sich wieder mehr ältere Menschen mit dem Virus infizieren. Die Hospitalisierungs-Inzidenz sieht das RKI bei 6,04. Sie gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in einer Woche mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingewiesen werden.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) rechnet aber nicht mehr damit, dass die Zahl der Corona-Intensivpatienten auf mehr als 3000 steigen wird. Rund 87 Prozent der Covid-infizierten Patienten würden derzeit auf Normalstationen behandelt, sagte DKG-Chef Gerald Gaß der Funke-Mediengruppe. Laut RKI-Angaben sind nur 76,1 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Die Impfkampagne verliert angesichts der Lockerungsdebatte immer mehr an Fahrt. Am Dienstag ließen sich nach RKI-Angaben nur 178.937 Menschen impfen, davon 13.557 zum ersten Mal.
SCHUTZMASSNAHMEN AUCH NACH DEM 20. MÄRZ
Einig sind sich Bund und Länder bereits, dass die Bundesländer nach dem 20. März auf jeden Fall die rechtliche Möglichkeit bekommen sollen, “niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen” beizubehalten. “Aus Sicht der Länder zählen hierzu insbesondere Maskenpflichten in den geschlossenen Räumen von Publikumseinrichtungen sowie in Bussen und Bahnen, das Abstandsgebot, allgemeine Hygienevorgaben, die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen Testerfordernisse vorzusehen sowie die Pflicht zur Nachweisführung des Impf-, Genesenen- und Teststatus”, heißt es in den Entwürfen der A- und B-Länder übereinstimmend. Dazu müsste das Infektionsschutzgesetz, in dem die Schutzmaßnahmen aktuell bis zum 19. März befristet sind, in den kommenden Wochen rechtzeitig erneut geändert werden.
Für Diskussionen dürfte am Nachmittag sorgen, dass die Unions-geführten Länder ein Impfregister sowie eine systematische Datenerfassung bei den Impfungen wollen. Sie verweisen darauf, dass dies auch der von der Ampel-Regierung eingesetzte Corona-Expertenrat am 22. Januar gefordert hatte. Die Unions-Länder dringen zudem darauf, dass der Geimpften- und Genesenenstatus künftig wieder auf sechs Monate und für doppelt Geimpfte auf neun Monate verlängert wird. Hintergrund ist die Verärgerung, dass das RKI überraschend den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt hatte. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will nun nach heftiger öffentlicher Kritik wieder eine politische Entscheidung durch sein Haus. Die Länder dringen dagegen auf Mitbestimmung bei einem solchen Schritt.
Unterschiedliche Meinungen gibt es auch darüber, ob es künftig noch Corona-Spitzentreffen zwischen Bund und Ländern geben soll. Die SPD-Länder wollen laut Entwurf nach Möglichkeit gar keine Treffen mehr zwischen Kanzler Scholz und den Ministerpräsidenten zu dem Corona-Thema. Die Unions-Länder schlagen dagegen ein nächsten Spitzentreffen am 9. März vor.