EuGH zeigt Polen und Ungarn bei Rechtsstaatlichkeit die rote Karte

Luxemburg/Brüssel (Reuters) – Der Entzug milliardenschwerer EU-Mittel für Polen und Ungarn wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit steht im Einklang mit dem europäischen Gesetz.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wies am Mittwoch Klagen der rechtspopulistischen Regierungen in Warschau und Budapest gegen ein entsprechendes Vorgehen der EU-Kommission zurück. Das Urteil ist höchstrichterlich, ein Einspruch ist nicht möglich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Entscheidung. Sie zeige, “dass wir auf dem richtigen Weg sind”. Auch die Bundesregierung äußerte sich positiv. Kritik kam erwartungsgemäß aus den Klägerländern.

Dem Urteil zufolge kann die EU-Kommission Mittel für Mitgliedstaaten einbehalten, wenn Verstöße gegen demokratische Rechte und Freiheiten vorliegen. Ungarn und Polen liegen seit langem mit der EU-Kommission überkreuz wegen des Umgangs der Regierungen mit der Justiz, aber auch den Medien und der Wissenschaft. Von der Leyen sagte, die Kommission werde in den kommenden Wochen über das weitere Vorgehen entscheiden. Aus dem Corona-Hilfsfonds hat Brüssel bereits die Auszahlung von 36 Milliarden Euro für Polen und sieben Milliarden Euro für Ungarn eingefroren.

“Mit dem Rechtsstaatsmechanismus ist Europa eine wehrhafte, demokratische Gemeinschaft, der Instrumentenkasten der EU zur Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit wird um ein starkes Mittel erweitert”, sagte Europastaatsministerin Anna Lührmann der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. “Wer europäisches Recht bricht, kann nicht mit europäischem Geld rechnen.” Die Bundesregierung werde die EU-Kommission bestmöglich unterstützen, sagte die Grünen-Politikerin. Rechtsstaatlichkeit sei die Grundlage der europäischen Gemeinschaft. Das Gericht habe damit die Rechtsauffassung der EU-Kommission und Bundesregierung bestätigt.

“POLITISCHE RACHE”

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte in Warschau, man werde das Urteil zunächst genau prüfen, bevor die Regierung darauf reagieren werde. Der als Hardliner geltende stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta sagte: “Wir müssen uns verteidigen gegen Angriffe auf unsere Souveränität.” Er sprach von Erpressungsversuchen, “die darauf abzielen, uns unseres Rechts auf Selbstbestimmung zu berauben”. Polen war vor allem in die Kritik der EU-Kommission geraten wegen einer Justizreform, die die Unabhängigkeit der Gerichte in Zweifel ziehen ließ.

In Budapest erklärte Justizministerin Judit Varga, das Urteil sei ein Beispiel dafür, “wie Brüssel seine Macht missbraucht”. Der Europäische Gerichtshof habe ein politisches Urteil gefällt. Am 3. April wird in Ungarn gewählt, Umfragen zufolge ist eine Wiederwahl des umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orban fraglich. Orbans Partei Fidesz sprach nach dem Urteil von “politischer Rache” und dem Ziel der EU, der Opposition zum Wahlsieg zu verhelfen. Für den 3. April ist in Ungarn auch eine Volksabstimmung angesetzt über einen Gesetzesentwurf der Regierung, nach dem an Schulen nicht mehr über Homosexualität und Transgender unterrichtet werden soll.

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