– von Christian Krämer
Berlin/Washington (Reuters) – Vor dem Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Jakarta warnt der Internationale Währungsfonds vor zunehmenden Risiken für die Weltwirtschaft.
In den vergangenen Wochen habe sich das Momentum noch einmal abgeschwächt, schrieb IWF-Chefin Kristalina Georgiewa am Mittwoch in einem Blog. Die G20-Finanzminister und Notenbankchefs beraten am Donnerstag und Freitag in der indonesischen Hauptstadt. Viele Teilnehmer werden wegen der Omikron-Welle aber nur virtuell zugeschaltet sein, so auch Bundesfinanzminister Christian Lindner, für den es das erste G20-Treffen ist. Der FDP-Chef will angesichts der zuletzt sprunghaft gestiegenen Inflation und der in der Corona-Krise massiv erhöhten Verschuldung das Thema Finanzstabilität betonen. Deutschland drängt zudem auf eine schnelle Umsetzung der globalen Steuerreform. Programmiert ist Zwist zum Ukraine-Konflikt.
Georgiewa betonte, die Lieferkettenprobleme erwiesen sich als hartnäckig, die Inflation steige noch stärker als erwartet und die geopolitischen Spannungen hätten sich verschärft. Vor drei Wochen hatte der IWF seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft in diesem Jahr bereits auf 4,4 Prozent gekürzt – vor allem wegen schwächerer Aussichten in den USA und China. Die Wirtschaft erhole sich also von der Corona-Krise, aber mit einem moderateren Tempo. Die Inflation bezeichnete Georgiewa als “signifikantes Risiko”, auch wenn sich die Lage in vielen Ländern im Laufe des Jahres allmählich beruhigen sollte. Alle Staaten müssten in der Pandemie schnell Zugang zu Impfstoffen, Testmöglichkeiten und Medikamenten bekommen. Dies ist bislang vor allem in reicheren Ländern der Fall.
Sobald sich die Länder aus dem Griff der Pandemie lösen, müssen sie laut IWF ihre zuletzt sehr expansive Finanzpolitik vorsichtig wieder normalisieren. 2020 habe es den größten Sprung bei der Verschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Weltweit summierten sich die öffentlichen und privaten Verbindlichkeiten mittlerweile auf 226 Billionen Dollar. Es gehe also um das Kunststück, die Haushaltsdefizite und Schuldenberge zu reduzieren, gleichzeitig aber die Gesundheitssysteme mit nötigen Mitteln auszustatten. Das werde für Entwicklungsländer ein großes Problem. Sie seien weiter auf Hilfen – auch ihrer Gläubiger – angewiesen.
Ähnliche Sorgen äußerte Lindner. Die Inflation und ihre Auswirkungen seien für Entwicklungsländer eine Herausforderung. Die Finanzstabilität werde daher eine Rolle spielen. “Deshalb ist die Erwartung, dass sich dies auch natürlich widerspiegelt im Abschlusskommunique am Freitag.” In diesem legen die G20-Länder stets ihre Pläne und Prioritäten fest. Darin enthalten sein dürften auch Aussagen zur Erholung der Weltwirtschaft von der Corona-Krise sowie der Umsetzungsstand der geplanten Steuerreform.
POLITISCHES SIGNAL AN RUSSLAND?
Die G20-Finanzminister werden auch den Ukraine-Konflikt zum Thema machen. Unklar sei jedoch noch, ob es am Ende einen gemeinsamen Text mit einem politischen Signal dazu geben werde oder nur einen Meinungsaustausch, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Die sieben führenden Industrienationen (G7) – Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, die USA, Japan und Kanada – hatten Russland Anfang der Woche mit scharfen Sanktionen im Falle eines Einmarschs in die Ukraine gedroht. Die finanzielle Stabilität der Ukraine werde auf jeden Fall sichergestellt. Offen ist, ob im größeren G20-Kreis mit Ländern wie China ebenfalls eine ähnlich scharfe Warnung an Russland durchgeht. Russland ist selbst auch Mitglied der G20.
In deutschen Regierungskreisen hieß es zudem, die Europäer wollten auf eine schnelle Umsetzung der globalen Steuerreform drängen, die unter anderem eine Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 15 Prozent vorsieht. “Hier werden wir ein deutliches Ausrufezeichen setzen.” Die Steuerreform in fast 140 Ländern soll ab Anfang 2023 greifen. “Der politische Fahrplan zur Mindeststeuer ist in Europa zu ambitioniert”, sagte Joachim Lang vom Industrieverband BDI. “Bei der Umsetzung muss Qualität vor Tempo gehen.” Deutschland sollte sich dafür einsetzen, die Regelungen zu vereinfachen und den Anwendungsbereich zu begrenzen. “Die Einführung der Mindeststeuer sollte auf das Jahr 2024 verschoben werden.”
Die Mindeststeuer soll die Verlagerung von Aktivitäten in Steueroasen zumindest eingrenzen. Die neuen Regeln sehen auch eine Besserstellung von Schwellenländern vor. Sie sollen künftig deutlich mehr Steuereinnahmen abbekommen, hier sind die Details aber umstrittener.