– von Alexander Hübner
München (Reuters) – Ein Debakel mit riskanten Finanzanlagen in den USA überschattet ein Rekordjahr von Europas größtem Versicherer Allianz.
US-Investoren hatten mit Hedgefonds von AllianzGI zu Beginn der Corona-Krise Milliarden verloren und den Konzern auf mehr als sechs Milliarden Dollar verklagt. Nach Vergleichsverhandlungen mit den größten Anlegern rechnet der Versicherungsriese daraus mit Belastungen von mehr als 3,7 Milliarden Euro vor Steuern, wie er am Donnerstagabend mitteilte. Die Summe könnte aber noch höher ausfallen. Weil das operative Geschäft stärker brummt als gedacht, kann die Allianz das aber gut verkraften. Der Gewinn ging im vergangenen Jahr nur um drei Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zurück, obwohl die Rückstellung für die Hedgefonds-Verluste netto mit 2,8 Milliarden Euro zu Buche schlug.
Das war unter dem Strich aber der niedrigste Gewinn seit 2013. Die Dividende soll dennoch kräftig um 1,20 auf 10,80 Euro je Aktie erhöht werden. Daneben will die Allianz auch in diesem Jahr eigene Aktien zurückkaufen und damit bis zu eine Milliarde Euro überschüssiges Kapital an die Anteilseigner zurückgeben. Operativ schnellte das Ergebnis des Versicherers um ein Viertel auf den Rekordwert von 13,4 (Vorjahr: 10,8) Milliarden Euro. Die Erholung vom Corona-Jahr 2020 fiel damit noch stärker aus als erwartet. Im November hatte der Versicherungsriese 13 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. “Trotz anhaltender Herausforderungen im Jahr 2021 hat die Allianz ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt”, sagte Vorstandschef Oliver Bäte. Die Allianz-Aktie rutschte im späten Handel etwas ab auf 221,85 Euro.
Der Fehlschlag mit den von der Anlagetochter Allianz Global Investors (AllianzGI) entwickelten und verkauften “Structured Alpha”-Hedgefonds hatte dem Versicherer vor allem in den USA Negativschlagzeilen beschert. Die Papiere waren vor allem an große US-Pensionsfonds verkauft worden, die an eine sichere Anlage glaubten. Doch als die Märkte im März 2020 wackelten, mussten sie milliardenschwere Verluste hinnehmen. Etwa 25 Investoren haben die Allianz auf sechs Milliarden Dollar verklagt, weil sie mit den angeblich krisensicheren Papieren einen Großteil ihres Einsatzes verloren hatten. Sie werfen ihr vor, angesichts der zeitweiligen Panik an den Märkten von ihrer Investmentstrategie abgewichen zu sein. Das hatte auch die US-Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. Über die Affäre war im Herbst auch die für die Asset-Management-Sparte zuständige Vorständin Jacqueline Hunt gestolpert.
NOCH NICHT DAS ENDE DER FAHNENSTANGE
Vorstandschef Bäte drängte auf eine baldige Beilegung der Klagen, um die Allianz vor weiterem Rufschaden zu bewahren. “Die bevorstehenden Vergleichsabschlüsse bilden einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Beendigung aller Verfahren”, teilte sie am Donnerstag mit. Mit weiteren Klägern sowie dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsicht SEC werde aber noch verhandelt. Deshalb sei “mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen, bevor diese Verfahren endgültig abgeschlossen werden können”.
Im neuen Jahr will die Allianz das operative Ergebnis halten – mit der üblichen Spanne von einer Milliarde Euro nach oben und unten. Finanzvorstand Giulio Terzariol sieht gute Chancen, dass der Gewinn erneut steigt: “Unsere starke Geschäftsentwicklung, basierend auf den soliden Fundamenten unseres Geschäfts, bestätigt unsere Zuversicht für den Ausblick für 2022.”
Im vergangenen Jahr steigerte die Allianz den Umsatz – also die Summe aus Beitragseinnahmen in der Versicherung und Gebühren für die Fonds – um 5,7 Prozent auf 148,5 Milliarden Euro. Dabei zeigten sich die Anleger bei den Kapitalanlage-Töchtern Pimco und AllianzGI von dem Hedgefonds-Debakel unbeeindruckt. Ihnen flossen 110 Milliarden Euro zu, so dass die Allianz für Dritte zum Jahresende 1,97 Billionen Euro verwaltete. Einschließlich der Kapitalanlagen für ihre Versicherungskunden waren es 2,61 Billionen Euro. Am besten verdiente erneut die Schaden- und Unfall-Versicherungs-Sparte, deren operatives Ergebnis sich nach dem Ende der Corona-Belastungen um 31 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro erhöhte.