Wirtschaft schrumpft Ende 2021 kaum – Aber Risiko Ukraine-Krieg

Berlin (Reuters) – Die Omikron-Welle hat die deutsche Wirtschaft am Jahresende 2021 weniger stark ausgebremst als ursprünglich befürchtet.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte zwischen Oktober und Dezember nur um 0,3 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Eine frühere Schätzung hatte noch ein Minus von 0,7 Prozent ergeben. Waren bis vor kurzem die Aussichten auf eine anziehende Konjunktur im Frühjahr noch sehr gut, sorgt die geopolitische Lage nun für Risiken. “Mit dem Krieg in der Ukraine ist die zügige Erholung der deutschen Wirtschaft in Gefahr”, sagte Volkswirt Sebastian Dullien vom IMK-Institut. “Die noch einmal massiv gestiegenen Energiepreise drohen die Kaufkraft der Haushalte zu belasten.”

Besonders die Ausgaben der Verbraucher sanken Ende 2021 um 1,8 Prozent, während die staatlichen Konsumausgaben um 1,0 Prozent stiegen. Die Bauinvestitionen stagnierten zum Sommer und die Importe wuchsen um 5,1 Prozent, während die Exporte um 4,8 Prozent zulegten. Unter dem Strich schob der Außenhandel das Wirtschaftswachstum leicht an, während die Inlandsnachfrage bremste. Es war der erste Rückgang des BIP seit Anfang 2021. Viele Fachleute gehen davon aus, dass die Corona-Welle mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante die Konjunktur auch im laufenden ersten Quartal belastet. So könnte es zu einer technischen Rezession kommen – wenn die Wirtschaftskraft in zwei Vierteljahren in Folge sinkt.

Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank sieht in den Daten positive Signale, “dass der Konjunkturaufschwung trotz des Kriegsgeschehens im Osten Europas in Gang kommen wird”. Denn die Konsumenten hätten einiges nachzuholen. “Restaurants, Hotels und der gesamte Freizeitsektor werden sich wieder über bessere Geschäfts freuen können.” Die höheren Preise für Energie dürften zwar etwas dämpfend wirken, doch während der Pandemie hätten die Verbraucher auch viel Geld beiseitegelegt. “Und wer möchte sich nach dem langen Corona-Winter schon die Freude am Biergartenbesuch in den Frühjahrsmonaten nehmen lassen?”

SORGT UKRAINE-KRIEG FÜR NEUEN DRUCK AUF LIEFERKETTEN?

Die Erholung der Industrie zeige, dass sich die Probleme in den Lieferketten in den vergangenen Monaten entspannt hätten, sagte auch IMK-Experte Dullien. Doch wegen der Energieversorgung könnten sich die Engpässe noch einmal zuspitzen, weil Russland für einige wichtige Rohstoffe ein zentrales Lieferland sei und nun mit Sanktionen des Westens konfrontiert sei. “Die Invasion Russlands in der Ukraine muss als massiver Schock für die deutsche Wirtschaft, sowohl auf der Angebots-, als auch auf der Nachfrageseite gesehen werden”, sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen IMK.

Im vergangenen Jahr hat die Wirtschaft um revidiert 2,9 Prozent zugelegt, konnte damit den Einbruch aus dem ersten Corona-Krisenjahr 2020 von 4,6 Prozent aber nicht ausgleichen. Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr insgesamt mit 3,6 Prozent Wirtschaftswachstum und für 2023 mit einem BIP-Plus von 2,3 Prozent, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Bundestag Ende Januar sagte.

Das Defizit im deutschen Staathaushalt infolge der hohen Corona-Kosten fiel 2021 deutlich kleiner aus als zunächst gemeldet. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung überstiegen laut Statistikamt die Einahmen um rund 132,5 Milliarden Euro. Dies sind 12,8 Milliarden Euro weniger als im ersten Corona-Jahr 2020. Eine erste Schätzung im Januar hatte noch einen Anstieg auf fast 154 Milliarden Euro ergeben, doch die Steuereinnahmen entwickelten sich besser als zunächst angenommen. Der Fehlbetrag entspricht 3,7 Prozent des BIP und lag damit bereits das zweite Jahr in Folge über der Obergrenze des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts von drei Prozent.

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