(Neu: Geberkonferenz, Telefonat Steinmeier/Selenskyj)
– von Natalia Zinets und Emma Farge und Andreas Rinke
Kiew/Berlin (Reuters) – – Westliche Länder haben auf einer Geberkonferenz in Warschau am Donnerstag 6,5 Milliarden Dollar für Ukraine-Hilfen eingesammelt.
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte neue deutsche Hilfen für das vom Angriff Russlands betroffenen Land in Höhe von 265 Millionen Euro an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj legte seinen Zwist mit der Bundesregierung bei und telefonierte mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nach Angaben aus dem deutschen Präsidialamt lud Selenskyj zudem Scholz, Steinmeier und die gesamte Bundesregierung nach Kiew ein.
Die Geber-Konferenz war von Polen, Schweden, der EU-Kommission und EU-Ratspräsident Charles Michel organisiert worden. Die Ukraine hat damit seit der russischen Invasion am 24. Februar mehr als zwölf Milliarden Dollar (11,4 Milliarden Euro) an Waffen und finanzieller Hilfe erhalten, teilte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal am Ende der Veranstaltung mit.
Der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj forderte vom Westen außer Geld auch weitere Waffen: Sein Land brauche Mehrfachraketenwerfer-Systeme (MLRS) wie die des Typs M270 oder M142 Himars, sagte er nach einem Gespräch mit dem Chef des US-Generalstabs, Mark Milley.
Die Ukraine brauche eindeutig schwere Waffen, sagte auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Hannover. In der Ukraine würden Werte angegriffen, die Deutschland teile. Die Möglichkeiten militärischer Hilfen seien aber für Deutschland begrenzt. Die Ukraine dürfte nach Einschätzungen aus dem Umfeld von Selenskyj mit einer Gegenoffensive bis mit Mitte Juni warten. Dann werde die Ukraine hoffentlich mehr Waffen aus dem Ausland erhalten haben, sagte Präsidentenberater Olexij Arestowytsch.
RUSSLAND BOMBARDIERT WEITER
Unterdessen setzten russische Truppen ihre schweren russischen Angriffe vor allem im Osten der Ukraine fort. Das russische Militär hat nach eigenen Angaben bei Artillerieangriffen in der Nacht 600 ukrainische Kämpfer getötet. Bei dem Beschuss seien mehrere Stellungen und befestigte Anlagen der ukrainischen Streitkräfte getroffen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Mit Raketenangriffen habe man auch Flugzeugteile auf dem Flugplatz Kanatowo in der zentralukrainischen Region Kirowohrad und ein großes Munitionsdepot in der südlichen Stadt Mykolajiw zerstört.
In dem von russischen Truppen belagerten Asowstal-Werk in Mariupol gab es neue Versuche für die Evakuierung von Zivilisten. Russland sagte eine Feuerpause zu. Der ukrainische Präsident forderte eine sofortige Waffenruhe. “Es wird einige Zeit dauern, die Menschen aus den Kellern und unterirdischen Bunkern zu befreien”, sagte Selenskyj. Russland hatte bereits am 21. April die Einnahme der Hafenstadt im Südosten der Ukraine erklärt, auf dem Gelände von Asowstal leisten ukrainische Kämpfer aber weiter erbitterten Widerstand.
SELENSKYJ MACHT WEG FÜR BESUCHE REGIERUNG FREI
Selenskyj telefonierte mit Steinmeier, nachdem er dessen Gesprächswunsch wochenlang ignoriert hatte. Die ukrainische Einladung an den Bundespräsidenten, den Kanzler und die Regierung machte den Weg frei für hochrangige Visiten aus Deutschland. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas will wohl noch diese Woche nach Kiew reisen, Regierungsmitglieder dürften folgen. Am Mittwoch hatte der Kanzler die ukrainische Seit aufgefordert, die diplomatische Blockade nach der Ausladung des Bundespräsidenten zu beseitigen. CDU-Chef Friedrich Merz dankte Selenskyj dafür, das dieser seinem Wunsch nach einem Treffen mit Steinmeier gefolgt sei. Der Oppositionsführer hatte am Dienstag Kiew besucht.
RINGEN UM ÖL-EMBARGO
Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Inzwischen haben die russischen Bombardierungen mehrere Städte verwüstet. Tausende Zivilisten starben, Millionen sind auf der Flucht. Die Regierung in Moskau bezeichnet die Invasion der Ukraine als “Sondereinsatz” zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Westliche Staaten sprechen dagegen von einem Angriffskrieg und Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.
Der Westen hat Sanktionen in mehreren Schritten gegen Russland verhängt. Im sechsten Sanktionspaket hat die EU-Kommission ein weitgehendes Importverbot für russisches Öl ab Ende des Jahres vorgeschlagen. Unter den 27 Mitgliedstaaten ist die genaue Ausgestaltung aber noch umstritten. Vor allem Ungarn und die Slowakei, aber auch Bulgarien sehen ihre Energiesicherheit in Gefahr.