– von Markus Wacket und Timothy Heritage
Berlin/London (Reuters) – Der Konflikt mit Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs spitzt sich zu und trifft mit der Gas-Versorgung Deutschlands empfindlichste Stelle.
“Russland setzt Energie als Waffe ein”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag in Berlin. Auf diese Situation sei man aber vorbereitet. Zehn Millionen Kubikmeter Gas täglich flössen jetzt nicht mehr nach Deutschland. Diese Menge entspreche über den Rest des Jahrs gesehen etwa drei Prozent der russischen Gas-Lieferungen und sei ersetzbar – wenn auch zu höheren Preisen. Das sei wohl das Ziel der Sanktionen gegen die unter deutscher Kontrolle stehende Gazprom-Germania und deren Handelstöchter. Man habe aber Vorsorge getroffen und werde dies finanziell abfangen. Einen Grund die Gas-Warnstufe auf “Alarm” zu erhöhen, gebe es derzeit noch nicht. Oberstes Gebot sei aber: “Sparen, Sparen, Sparen!”
Russland hatte am Mittwoch insgesamt 31 Unternehmen auf einer Internetseite gelistet, gegen die Sanktionen erlassen werden, darunter der Eigner des polnischen Abschnitts der Jamal-Europa Erdgas-Pipeline, EuRoPol GAZ PA. Daher fließt auch kein Gas mehr durch diese Leitung Richtung Deutschland, wie Gazprom bestätigte. Laut Bundesnetzagentur bezog Deutschland über diesen Weg aber schon seit Wochen kaum Gas, so dass dies keine Auswirkungen auf die Versorgung haben werde.
Auf der Sanktions-Liste stehen auch die Handels- und Speicher-Töchter von Gazprom Germania. Deutschland hatte die Firma zur Sicherung der Gasversorgung unter Treuhandschaft genommen, nachdem der russische Energieriese Gazprom das Unternehmen aufgeben wollte. Die Sanktionen gelten auch als Gegenreaktion auf das deutsche Vorgehen.
Trotz des Kriegs – den Russland Spezialoperation nennt – war Deutschland bisher mit russischer Kohle, Öl und Gas beliefert worden. Besonders beim Gas ist Deutschland abhängig von russischen Lieferungen per Pipeline. Bis mindestens 2024 sei man trotz aller Anstrengungen, russisches Gas etwa durch Flüssiggas-Lieferungen zu ersetzen, auf Russland angewiesen, hatte die Regierung gesagt.
NETZAGENTUR: RUSSLAND WILL HANDEL WOHL FORTSETZEN
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, wies darauf hin, dass Russland nicht die Leitungsbetreiber unter dem Dach von Gazprom Germania sanktioniere, das Gas also weiter etwa über Nordstream I fließen und in Deutschland verteilt werden könne. Russland wolle offenbar den Handel fortsetzen. Als positiv bezeichnete es Müller, dass auch der größte Speicherbetreiber Astora von den Sanktionen erfasst sei. Offenbar wolle die russische Seite keine Nutzungsentgelte mehr für den größten deutschen Speicher Rehden zahlen. Das mache es dann etwa für Germania-Töchter einfacher ihn zu befüllen, egal mit welchem Gas. Rehden ist bislang kaum gefüllt.
Die Handelsverträge der Germania-Töchter mit der Gazprom müssen nun aber ersetzt werden. Das wird aber nach Branchenschätzungen teurer auf den Weltmärkten sein. Nach der russischen Sanktionsankündigung waren laut Müller die Großhandelspreise um etwa 14 Prozent gestiegen. Da die Germania-Töchter aber wiederum Verträge etwa mit Stadtwerken haben, könnte hier die finanzielle Absicherung des Bundes greifen, damit sie weiter zu vergleichbaren Preisen Gas beziehen können. Damit würden die Sanktionen auch für den Privatverbraucher keine direkten zusätzlichen Kosten verursachen.
Auch wenn die Mengen ersetzbar seien, könnten sich die Probleme bei Gaslieferungen häufen, warnte Habeck. Er verwies auf mögliche Probleme in Zusammenhang mit der von Russland geforderten Rubel-Zahlung, die Deutschland ablehnt. Zudem müsse man die Gasflüsse über die Ukraine beobachten.
LIEFERUNGEN ÜBER UKRAINE STOCKEN WEITER
Unabhängig von den Sanktionen stockt es hier weiter. Nachdem am Mittwoch etwa ein Viertel weniger Gas als sonst üblich über diese Route in Deutschland angekommen war, setzte sich dies am Donnerstag nach ersten Daten fort. Die Ukraine macht dafür die Kämpfe in der Region Luhansk und die russische Seite verantwortlich, da eine Verdichterstation nicht mehr betrieben werden könne. Russland und Gazprom weisen dies zurück. Eine von der Ukraine geforderte Umleitung über eine andere Route sei technisch nicht möglich. Laut Wirtschaftsminister Habeck waren zuletzt Norwegen und die Niederlande für Deutschland zum Ausgleich mit zusätzlichen Gas-Lieferungen eingesprungen.
Ein weiterer Konflikt könnte drohen, wenn Russland die Euro oder Dollar-Zahlungen für Gas aus dem Westen nicht mehr akzeptieren sollte. Russland hatte neue Regelungen mit Rubel-Zahlungen verlangt, die aber als unklar gelten. Der Versorger RWE erklärte, man sei hier in engem Kontakt mit der Bundesregierung und erwarte Klarstellungen in Kürze. Viele Rechnungen müssen im Mai beglichen werden. Dann wird sich voraussichtlich zeigen, ob sie akzeptiert werden.