Tourismus hofft auf Aufwind – Habeck mahnt vor Klimawandel

– von Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Die deutsche Tourismusbranche setzt mit Abebben der Corona-Krise auf bessere Geschäfte und hofft auf weitere Hilfen der Politik. “Dort, wo es um privates Reisen und Ausgehen geht, sehen wir eine deutlich anziehende Nachfrage”, sagte der neue Präsident des Branchenverbands BTW, Sören Hartmann, am Montag auf dem Tourismusgipfel in Berlin. “Die Reiselust der Menschen ist groß.” Buchungen sein kurzfristig, zögen aber an. Denn nach zwei reisearmen Jahren gebe es Nachholbedarf. “In weiten Teilen unserer Branche ist deshalb auch wieder Optimismus zu erkennen.”

Das Wiederhochfahren im Tourismus habe begonnen und die Politik müsse dafür sorgen, dass dieser Neustart gelinge. So müssten Hilfen so lange gewährt werden, wie sie in weiter corona-betroffenen Bereichen notwendig sei, mahnte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). Schleppender laufe noch der Geschäftsreisesektor. Erste Messen und größere Veranstaltungen ließen aber auf bessere Zeiten hoffen. Offen sei jedoch, ob diese Sparte das Vorkrisenniveau von 2019 wieder erreiche oder ob Videokonferenzen kleinere Events und Termine dauerhaft ersetzten, sagte Hartmann, der Chef des Touristik-Konzerns DER und Rewe-Vorstand ist.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, Tourismus leide unter der Virus-Pandemie und hoher Inflation. Die größte Krise sei aber die Erderwärmung. Die Reisebranche müsse sich besser wappnen, denn sie sei auf eine intakte und attraktive Umwelt und beherrschbares Klima angewiesen. So sicherten Nachhaltigkeit und Klimaneutralität die wirtschaftliche Basis des Tourismus. “Im Neustart liegt immer auch eine große Chance.”

Der BTW-Chef betonte, dass die Branche auch 2021 vom Vorkrisenniveau von 2019 noch weit entfernt war. “Die Pandemie war für den Tourismus eine Vollbremsung nach jahrzehntelangem dynamischem Wachstum.” So habe es 70 Prozent weniger Passagiere an Deutschlands Flughäfen gegeben, 70 Prozent weniger Touristen weltweit und 70 Prozent weniger Umsatz bei den Reiseveranstaltern und Reisebüros in Deutschland.

GASTGEWERBE – “ES DROHT DAS DRITTE VERLUSTJAHR IN FOLGE”

Das Gastgewerbe blickt nur vorsichtig optimistisch auf die Urlaubssaison. “Es droht 2022 das dritte Verlustjahr in Folge”, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges vom Branchenverband Dehoga der Nachrichtenagentur Reuters. Man könne die Verluste vom Jahresanfang kaum wettmachen. Denn die Umsätze hätten – bereinigt um steigende Preise – im ersten Quartal noch immer rund ein Drittel unter dem Vorkrisenniveau von 2019 gelegen. Die gestiegenen Preise für Lebensmittel, Energie und Gehälter belasteten Gastronomie und Hotellerie.

Die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Müller, erklärte, die Branche dürfe nicht wieder wie in den Corona-Lockdowns komplett heruntergefahren werden. Auf die Frage, ob es bei weiteren Krisen kein erneutes Beherbergungsverbot gebe werde, sagte die Grünen-Politikerin: “Das hoffe ich.”

Die deutsche Luftfahrt setzt ihrerseits auf ein anziehendes Sommergeschäft, wo das Flugangebot bei 75 bis 80 Prozent vo 2019 liegen dürfte, sagte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zu Reuters. In einigen Destinationen – wie Griechenland und der Türkei – dürfte das Angebot sogar bereits über dem Stand von vor der Krise liegen. “Im Gesamtjahr 2022 rechnen wir mit einer Passagierzahl von etwa 70 Prozent des Niveaus von 2019.”

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine sorgt derweil für weitere wirtschaftliche Unsicherheit. “Es gibt kein besseres Gegengewicht zum Krieg als den Tourismus”, sagte BTW-Präsident Hartmann. Minister Habeck erklärte, Tourismus sei das Gegenteil von Abschottung und Diktatur und stehe für eine offene Welt.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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