Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will wegen der sprunghaft gestiegenen Energiekosten kurzfristig weitere Hilfen für Unternehmen auf den Weg bringen.
Das Wirtschaftsministerium kündigte am Dienstag an, vor allem kleinere, energieintensiven Firmen wie etwa Bäckereien stärker unter die Arme greifen zu wollen. Dafür solle das für die Industrie ausgelegte Hilfsprogramm auch für den Mittelstand geöffnet werden, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck nach einem Treffen mit Branchenvertretern. So solle etwa das Kriterium, das eine Firma im internationalen Wettbewerb stehe, entfallen. Ein gewisser Anteil von Energiekosten am Produkt werde aber weiter für die Zuschüsse vorausgesetzt. Die Regierung wolle das Programm in den nächsten Wochen beschließen. Es solle aber möglichst rückwirkend etwa ab September greifen.
Zuvor hatte sich Habeck mit rund 40 Verbänden des Mittelstands getroffen. Den Mittelstand belasten nicht nur die Energiekosten, sondern auch Probleme in den Lieferketten sowie Fachkräftemangel. “Wir müssen jetzt alle finanzielle Kraft aufbringen, die nötig ist, um die gute Substanz unserer Wirtschaft und Arbeitsplätze in diesem Land zu sichern”, sagte Habeck. “Dass das den Mittelstand erheblich entlasten wird, ist zu erwarten”, sagte der Grünen-Politiker zu dem geplanten Programm. “Dass es ihm alle Kosten abnehmen wird, nicht.” Wie teuer das Programm für den Steuerzahler wird, könne derzeit noch nicht beziffert werden.
Bisher haben sich für das Energiekosten-Dämpfungsprogramm des Wirtschaftsministeriums rund 2500 Unternehmen registriert, deren Kreis nun deutlich ausgeweitet werden soll. Außerdem laufen Verhandlungen mit der EU-Kommission, die Staatshilfen länger gewähren zu dürfen. Habeck will sie bis mindestens April 2024 verlängern.
FINANZMINISTERIUM SIGNALISIERT HILFE FÜR VERSORGER
Aus dem Umfeld des Finanzministeriums verlautete zudem, bereits geschaffene Kreditermächtigungen aus dem Corona-Hilfsfonds WSF sollten auch für Versorger eingesetzt werden können. Es gehe dabei um rund 67 Milliarden Euro. Der Bund wolle so die Möglichkeiten der Förderbank KfW verstärken, der Energiebranche zu helfen. Diese habe einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf, weil russische Gaslieferungen ausblieben. Eine generelle Reaktivierung des Corona-Hilfsfonds WSF sei aber nicht geplant, es werde nur bei bereits bestehenden Kreditermächtigungen der Zweck erweitert. “Hierbei geht es um eine minimalinvasive Maßnahme, die schnell umgesetzt werden kann.” Das Kabinett solle an diesem Mittwoch eine entsprechende Formulierungshilfe für die Ampel-Fraktionen im Bundestag billigen. Damit soll der Gesetzgebungsprozess beschleunigt werden.
Laut einer Untersuchung des Sparkassen-Verbandes braucht der Mittelstand wegen der hohen Energiepreise Hilfen. Auch solide Unternehmen seien dadurch am Rande der Belastungsgrenze. Noch schärfer äußerte sich die Stiftung der Familienunternehmen: “Für die Unternehmen steht es fünf vor zwölf.” Die Politik müsse die Energiesteuern senken, die im weltweiten Vergleich viel zu hohen Unternehmenssteuern reduzieren und einen sofortigen Belastungsstopp beschließen.
(Bericht von Christian Krämer, Markus Wacket; redigiert von Hans Seidenstücker, Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)