Lindner – Sonderabgabe für Energiekonzerne auf dünnem Eis

Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will ungewöhnlich hohe Gewinne von Mineralöl- und Gasunternehmen mit einer Sonderabgabe abschöpfen.

Die Höhe solle dem europarechtlichen Mindestabgabewert von 33 Prozent entsprechen, verlautete am Mittwoch aus dem Bundesfinanzministerium. Die Grünen forderten umgehend einen höheren Satz. Erwartet werden dadurch Steuermehreinnahmen von einer bis drei Milliarden Euro, die dem Bund zustehen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte bei einer Veranstaltung der “Süddeutschen Zeitung”: “Diese Vorgabe aus dem europäischen Recht führt uns in nationalem Steuerrecht auf dünnes Eis.” Es seien in Deutschland “einige wenige Unternehmen” betroffen. Europäisches Vertragsrecht müsse umgesetzt werden.

In einer Formulierungshilfe des Finanzministeriums für die Gesetzesänderungen für die Bundestagsfraktionen der Ampel-Koalition heißt es, der Gewinn betroffener Firmen in den Jahren 2022 und 2023 müsse jeweils um 20 Prozent höher liegen als der Durchschnittsgewinn der Jahre 2018 bis 2021. Betroffen seien Unternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- sowie Raffineriebereich. Die Abgabe sei keine abzugsfähige Betriebsausgabe bei der Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer. Die Änderungen sollen mit dem Jahressteuergesetz in der kommenden Woche vom Bundestag auf den Weg gebracht werden.

Laut Finanzministerium sollen ausschließlich besonders profitable Konzerne in die Pflicht genommen werden. Es gehe um eine niedrige zweistellige Zahl. Lindner hatte sich lange gegen eine Übergewinnsteuer gesträubt, muss sie nun aber in etwas anderer Form einer Abgabe einführen. Deutschland müsse den sogenannten EU-Energiekrisenbeitrag bis zum Jahresende 2022 umsetzen, ansonsten drohe ein Vertragsverletzungsverfahren, hieß es im Finanzministerium. Die Verhandlungen auf EU-Ebene seien vom Wirtschaftsministerium unter grüner Leitung geführt worden und es habe verfassungsrechtliche Bedenken gegeben. Verschiedene Formen der Umsetzung seien geprüft worden. Die jetzt gewählte Abgabe sei mit den geringsten rechtlichen Risiken verbunden.

Die Grünen sprachen sich für eine andere Umsetzung aus. Mehr sei nötig und es sei auch ein höherer Satz als 33 Prozent möglich, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck. “In der jetzigen Form sind Gewinnverschiebungen ins Ausland zu befürchten, so dass die Abgabe wahrscheinlich großflächig umgangen werden kann und nur ein geringes Aufkommen zu erwarten wäre.” Ähnlich äußerte sich Grünen-Chefin Ricarda Lang: Es müsse nochmal geprüft werden, wer davon betroffen und wie hoch die Abgabe am Ende sei. “Ich glaube, da ist noch mehr drin”, sagte sie dem TV-Sender “Welt”.

Die Ampel-Regierung hatte diese Woche ihre Pläne für eine Gas- und Strompreisbremse vorgestellt. Darin enthalten sind auch Pläne, Zufallsgewinne der Stromerzeuger abzuschöpfen – und zwar rückwirkend ab Anfang September 2022. Dies soll zunächst bis Juni 2023 gehen, kann aber bis Ende 2024 verlängert werden. Die Produzenten können gestaffelt nach Erzeugungsart wie etwa Wind-, Sonne- oder Braunkohle einen bestimmten Basiserlös plus eines Aufschlages behalten, müssen darüber hinaus aber 90 Prozent der Erlöse abtreten.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar sind die Energiepreise deutlich nach oben geschossen. Davon haben einige Konzerne profitiert, während andere Firmen unter den hohen Preisen leiden.

(Bericht von Christian Krämer und Holger Hansen.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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