Vilnius/Prag/Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation aus Sicht mehrerer ihrer Währungshüter auch im Mai weiter anheben müssen.
Sowohl der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir als auch seine EZB-Ratskollegen Gediminas Simkus aus Litauen und Pierre Wunsch aus Belgien sind der Auffassung, dass das Ende des Straffungskurses auch nach der geplanten Zinsanhebung im März noch nicht erreicht ist. “Die März-Anhebung wird nicht die letzte sein”, erklärte Kazimir am Freitag in einer Stellungnahme zum Zinsbeschluss der EZB. “Wir werden später entscheiden, wie viele weitere nötig sein werden”, fügte er hinzu. Simkus und Wunsch äußerten sich ähnlich.
Die EZB hatte am Donnerstag auf ihrer ersten Zinssitzung im neuen Jahr die Schlüsselsätze wie schon im Dezember um einen halben Prozentpunkt angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, wurde damit auf 2,50 Prozent hochgesetzt. Es war bereits der fünfte Zinsschritt nach oben seit der Zinswende im Juli 2022. Notenbankchefin Christine Lagarde stellte zudem gleich eine weitere Anhebung auf der kommenden Zinssitzung am 16. März um ebenfalls einen halben Prozentpunkt in Aussicht. Danach ist das nächste geldpolitische Treffen dann am 4. Mai.
Der Kampf gegen die Inflation sei noch lange nicht gewonnen, erklärte Kazimir am Freitag. “Und es wird Monate dauern, bis wir mit Zuversicht sagen können, dass wir die Inflation dorthin gelenkt haben, wo sie hingehört.” Die allgemeine Inflationsrate im Euro-Raum war zwar im Januar im Zuge eines nachlassenden Energiepreisschubs zurückgegangen auf 8,5 Prozent von 9,2 Prozent im Dezember. Die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet sind, verharrte jedoch bei 5,2 Prozent. Dies bereitet den Euro-Wächtern Sorge. Denn sie wollen unbedingt vermeiden, dass sich der zugrundeliegende Preisdruck im Euro-Raum verstetigt.
0,50 ODER 0,25 PROZENTPUNKTE IM MAI
Laut Litauens Notenbankchef Simkus könnte die EZB im Mai die Zinsen um 0,50 oder um 0,25 Prozentpunkte anheben. Einen Jumbo-Schritt im Mai wie im September und Oktober um 0,75 Prozentpunkte hält er dagegen für unwahrscheinlich, wie er in Vilnius sagte. Belgiens Notenbankchef Wunsch sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er glaube nicht, dass die EZB von 50 Basispunkten im März auf Null gehen werde. “Es könnten weitere 50 Basispunkte sein, oder wir könnten zu 25 übergehen,” sagte er. Er schließe auch weitere 50 Basispunkte sicherlich nicht aus.
Wie weit die EZB auf ihrem Zinserhöhungkurs noch voranschreitet hängt Wunsch zufolge von der Entwicklung der Kerninflation ab. “Wenn die Kerninflation hartnäckig bleibt, wenn wir weiterhin eine Kerninflationsdynamik in der Nähe von fünf Prozent sehen, wäre für mich ein Endrate von 3,5 Prozent ein Minimum”, sagte er. Aktuell wird an der Börse davon ausgegangen, dass die EZB den Einlagensatz bis Juli auf einen Höchststand 3,35 Prozent anheben wird. Die Zahl bedeutet auch, dass manche Anleger nach März eine weitere Erhöhung um 0,50 Prozentpunkte erwarten andere wiederum eher mit 0,25 Prozentpunkten rechnen.
Nach Auffassung von Simkus nähert sich die EZB auf ihrem Straffungskurs allmählich dem Zinsgipfel. Er könne positive Trends bei der Inflation sehen, sagte der Euro-Wächter. “Ich denke, dass wir uns bereits auf diese Endrate zubewegen,” merkte er an. Eine Zinssenkung bereits in diesem Jahr, wie von einigen Börsianern erwartet, sei aber unwahrscheinlich. Dies könne 2024 erfolgen, sollte sich die Inflationsentwicklung ändern. Wunsch verwies in diesem Zusammenhang auf die USA und Großbritannien. Dorthin gelte es zu schauen, sollte die Kerninflation nicht abflauen. Im Vereinigten Königreich und in den USA lägen die Zinsen bei über vier Prozent. “Das wäre auch für mich eine Referenz”, sagte er.
(Bericht von Balazs Koranyi, Robert Mueller, Andrius Sytas; Bearbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)