Berlin/London (Reuters) – Die Nichtregierungsorganisation Finanzwende hat die vorläufige Entscheidung der EU-Kommission kritisiert, kein Provisionsverbot in der Finanzbranche zu verhängen.
“Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet”, sagte die Verbraucherschutzexpertin Britta Langenberg von Finanzwende am Freitag. Die Brüsseler Behörde sei vor der Finanzlobby eingeknickt. “Für Kunden bedeutet das: Es wird vor allem verkauft und nicht beraten. Provisionen und Interessenkonflikte bleiben Alltag.” Für Verbraucher sei dies eine bittere Botschaft. “Ihnen werden weiter zu viele teure und ineffiziente Produkte verkauft, die ihre Altersvorsorge schmälern.” Besser wäre es gewesen, den Übergang zur Beratung gegen Honorar anzustoßen. “Die Kundschaft zahlt sowieso – bei einem Honorar ist aber eher gewährleistet, dass ihr Interesse auch wirklich im Vordergrund steht.”
Deutschland hat maßgeblich dafür gesorgt, dass das Provisionsverbot nicht kommt. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte, der jetzige Vertrieb erleichtere den Zugang zu Finanzprodukten. Ein Provisionsverbot hätte gerade ärmere Menschen getroffen, Beratung günstig in Anspruch zu nehmen. “Transparenz über Kosten wirkt besser als ein Verbot von Provisionen. Ich bin erleichtert, dass die Kommission unsere Bedenken aufnimmt und ihre Pläne nun offenbar so nicht mehr weiterverfolgt.”
EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness hatte am Donnerstag in Stockholm deutlich abgeschwächte Pläne angekündigt. Es solle eine bessere Übersicht zu den Kosten für Kunden geben. Privatpersonen werde nur selten das günstigste Produkt angeboten, obwohl diese oft genauso gut sein könnten wie teurere Produkte. “Das ist kein Freifahrtsschein für die Finanzbranche.” Ein Provisionsverbot könne bei Bedarf noch zu einem späteren Zeitpunkt kommen.
(Bericht von Christian Krämer und Huw Jones, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)