Berlin/Brüssel (Reuters) – Die EU-Kommission drückt bei der geplanten Reform der europäischen Schuldenregeln aufs Tempo.
Es müsse bald vorangehen. “Die Zeit ist nicht unbegrenzt”, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Freitag in Luxemburg vor Beratungen der EU-Finanzminister. Es brauche in den nächsten Monaten eine Einigung. Er rechne mit einer konstruktiven Diskussion auf Ebene der Minister.
Kern der Brüsseler Pläne sind künftig individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen – statt bislang pauschaler Vorgaben. EU-Länder sollen in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen, teilweise innerhalb von sieben Jahren.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt betont, noch keine Kompromisslinien zu sehen. “Wir brauchen gemeinsame Regeln, die für alle gleich sind. Wir brauchen einen verlässlichen Pfad zu niedrigeren Defiziten und auch zu insgesamt geringeren Schuldenständen”, bekräftigte er in Luxemburg. Jetzt gehe es an die Detailarbeit, um dies zu erreichen. Gerade in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen brauche es langfristig tragfähige öffentliche Finanzen. Mehr als elf der 27 EU-Staaten teilten die deutsche Position, den sogenannten Stabilitätspakt nicht aufzuweichen, aber realistischer und verlässlicher zu machen. Automatische Regeln dafür seien gut und nötig. Die Kommission sollte auch nicht zu viel Spielraum für individuelle Verhandlungen mit einzelnen Ländern bekommen.
Frankreich vertritt in dem Streit die Gegenposition, will möglichst viel Flexibilität, um mehr investieren zu können. Finanzminister Bruno Le Maire sagte, automatische und pauschale Vorgaben seien der falsche Weg. “Wir denken, dass das ein wirtschaftlicher und politischer Fehler wäre.” Das habe die Vergangenheit deutlich gezeigt.
Die europäischen Schuldenregeln sind seit 2020 zunächst wegen der Corona-Pandemie und später wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine ausgesetzt, sollen aber ab 2024 wieder greifen. In deutschen Regierungskreisen hieß es zuletzt, vor Dezember sei wohl keine Einigung auf eine Reform zu erwarten. In der Vergangenheit wurde immer wieder gegen die Regeln verstoßen, ohne dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte.
Lindner sieht zudem keinen Spielraum für zusätzliche deutsche Zahlungen in den EU-Haushalt. Es gebe sehr schwierige Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung zur Aufstellung des Haushalts für 2024, der gegenüber früheren Jahren deutlich konsolidiert werden soll. Das sei nicht die richtige Zeit für höhere Zahlungen Richtung Brüssel. SPD-Fraktionsvize Achim Post sprach sich für ein starkes Europa aus. “Dazu gehört auch, dass die EU mit den Mitteln ausgestattet wird, die sie benötigt.”
(Bericht von Christian Krämer und Jan Strupczeski. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











