Verbraucherlaune besser: Doch Konsum laut Handel kein Wachstumstreiber

Berlin (Reuters) – Angesichts der abflauenden Inflation steigt die Stimmung der deutschen Verbraucher auf das höchste Niveau seit über zwei Jahren.

Die GfK- und NIM-Konsumforscher prognostizieren für November eine Aufwärtsbewegung ihres Barometers um 2,7 auf minus 18,3 Punkte. Dies ist der zweite Anstieg in Folge und zugleich der höchste Stand seit April 2022. Sinkende Inflationsraten in Verbindung mit deutlich steigenden Löhnen und Gehältern sorgen für deutliche Einkommenszuwächse. Doch Rolf Bürkl, Experte beim Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM), sieht noch keinen Grund für Euphorie. Er verweist darauf, dass sich das Konsumklima insgesamt weiterhin auf niedrigem Niveau befinde. Meldungen über mehr Unternehmenspleiten, Pläne zum Personalabbau und Produktionsverlagerungen ins Ausland sorgten für Verunsicherung. Die deutschen Einzelhändler fordern angesichts der hartnäckigen Konsumflaute verbesserte Standortbedingungen von Bundeskanzler Olaf Scholz ein.

Noch zu Jahresbeginn habe die Bundesregierung den privaten Konsum als konjunkturelle Stütze herausgestellt, heißt es in einem Schreiben des Handelsverbands Deutschland (HDE) an Scholz, das der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlag. “Heute müssen wir feststellen, dass der private Konsum auch in den letzten Monaten des Jahres als gesamtwirtschaftlicher Wachstumstreiber ausfallen wird.” Unternehmen, Standorte, Innenstädte und Arbeitsplätze seien unter Druck und bräuchten “gesicherte Rahmenbedingungen”.

Aus der GfK-Verbraucherbefragung geht zwar hervor, dass die Sparneigung der Bürger im Oktober moderat zurückging. Doch generell gilt: Die Deutschen legen mehr Geld auf die hohe Kante als private Haushalte in vielen anderen Industrieländern. Sie sparten im vergangenen Jahr im Schnitt 10,4 Prozent ihres Einkommens, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Nur wenige Staaten weisen höhere Sparquoten als Deutschland auf, wie die Statistiker zum 100. Weltspartages am 31. Oktober mitteilten. Dazu gehören die Schweiz mit 19,4 Prozent und die Niederlande mit 12,7 Prozent.

“Verbraucher werden fragen, was an Belastung noch kommt und Geld beisammen halten”, meint Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die anhaltend hohe Sparneigung hierzulande sei ein klares Indiz für Konsumzurückhaltung. An eine vom Privatkonsum initiierte Konjunkturerholung sei weiterhin nicht zu denken.

Dazu passt, dass die Verbraucher in der GfK-Umfrage die Konjunkturaussichten für die kommenden zwölf Monate erneut etwas pessimistischer beurteilen. Mit einem Minus von 0,5 Zählern weist der Konjunkturindikator aktuell noch 0,2 Punkte auf. Ein geringerer Wert wurde zuletzt im März gemessen. So hat auch die Ampel-Regierung in Berlin ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr nach unten revidiert. Beim Bruttoinlandsprodukt wird jetzt ein Minus von 0,2 Prozent erwartet.

(Bericht von Reinhard Becker und Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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