Berlin (Reuters) – Der überraschende Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel stößt bei Ökonomen auf ein geteiltes Echo.
Der Finanzwissenschaftler Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bezeichnete eine Ermäßigung von sieben auf fünf Prozent als teuer und wenig treffsicher. “Es stimmt zwar, dass Lebensmittel im Warenkorb ärmerer Haushalte wichtiger sind”, sagte Heinemann am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. “Dennoch gibt es große Mitnahmeeffekte im Mittelstand und bei den Wohlhabenden, sie alle würden davon profitieren.”
Außerdem müsse die Gemeinschaft aller Steuerzahler für die Einnahmeausfälle aufkommen. Je mehr die Anwendung des normalen Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent durchlöchert werde, desto stärker werde der Druck, diesen noch weiter anzuheben. “Meine Prognose ist, dass wir 2026 einen Mehrwertsteuersatz von 20 oder 21 Prozent haben werden, wenn die nächste Regierung noch mehr Ausnahmen zulässt”, sagte Heinemann, der auch auf den Vorschlag von Oppositionsführer Friedrich Merz verwies, der sich eine reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie vorstellen kann. “Es wäre viel besser, wenn die Parteien im Wahlkampf genau den anderen Weg beschreiten: Ermäßigungen zurückfahren, damit der Normalsatz sinken kann.” Das wäre zudem ein wichtiger Beitrag zum Bürokratieabbau.
Nach den Worten von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski würde eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel einkommensschwachen Haushalten helfen. “Für sie machen die Lebensmittel ja einen relativen höheren Anteil an den Gesamtausgaben als bei einkommensstarken Haushalten”, sagte Brzeski. Notwendig sei eine strukturelle Stärkung der Kaufkraft. “Das würde man mit dem Vorschlag erreichen und zeitgleich einen kleinen Beitrag leisten, die soziale Schere angesichts der hohen Inflation der letzten Jahre nicht noch weiter auseinandergehen zu lassen”, sagte der Chefvolkswirt.
Bundeskanzler Scholz hat vorgeschlagen, den Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken. “Das würde ganz vielen, die wenig Geld verdienen, helfen. Und es wäre für den Bundeshaushalt keine übermäßige Belastung”, sagte er am Dienstagabend in der ARD. Trotz des Rückgangs der Energiekosten würden viele die Inflation noch stark spüren. “Da geht es um Lebensmittel, das, was man im Supermarkt an der Kasse zahlen muss. Und da sind einige schon ganz schön erstaunt, was da an Geld zusammenkommt für den Korb, den sie da gefüllt haben”, sagte der SPD-Politiker.
(Bericht von Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)