Kritik an Merz-Äußerungen zu grüner Stahlproduktion

Berlin/Düsseldorf (Reuters) – Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat Zweifel am schnellen grünen Umbau der Stahlindustrie geäußert und damit für zum Teil scharfe Kritik gesorgt.

“Diese Aussage ist ein Schlag in das Gesicht all der Beschäftigten”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag in Berlin vor der Jahresauftaktsitzung des erweiterten Vorstands der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Stahlindustrie habe mit den Konzepten der Union keine Zukunft in Deutschland. SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnete im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” die Position von Merz als Irrfahrt und Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Kanzlerkandidat Merz hatte am Montagabend in Bochum ein Fragezeichen hinter die Pläne für einen raschen Umbau der Branche gesetzt. “Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen?” Er verwies auch auf die hohen Preise des Wasserstoffs. Es gebe auch andere Möglichkeiten – wie etwa die Abscheidung oder Speicherung des Klimagases CO2. Es dürfe keine “ideologische Festlegungen” in der Industriepolitik geben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich vorsichtiger, stellte sich aber klar hinter die Pläne für einen Umbau zur grünen Produktion. “Es ist wichtig, dass wir den Unternehmen die Möglichkeit schaffen, Wasserstoff einzusetzen”, betonte der Kanzler am Rande des Nato-Ostsee-Gipfels in Helsinki. Die Bundesregierung habe dafür die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen und sei dabei, weitere zu schaffen. “Es ist wichtig, dass wir die Produktion von Wasserstoffaktivitäten in Deutschland möglich machen”, betonte er. Die Frage, mit welcher Energie der Wasserstoff erzeugt wird, habe bei der Einführung und Expansion sicher nicht “erste Priorität”. Aber grüner Wasserstoff werde dann eine wachsende Rolle spielen. Er verwies darauf, dass es privatwirtschaftliche Investitionen von mehr als 20 Milliarden Euro für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes in Deutschland gebe.

Die Schwerindustrie gehört zu den größten Emittenten klimaschädlichen Kohlendioxids. Stahlkonzerne wie Thyssenkrupp oder Salzgitter treiben den Bau klimaschonender Werke voran. Der Bund beteiligt sich daran mit Steuergeldern in Milliardenhöhe. Da noch unklar ist, wie der riesige Bedarf an Wasserstoff gedeckt werden kann, soll gegebenenfalls zunächst Erdgas eingesetzt werden. Der Kanzler verwies darauf, dass neben Importe zunehmend auch Wasserstoff in Deutschland selbst produziert werden soll.

Salzgitter-Chef Gunnar Groebler forderte von der Politik mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl Klarheit. “Es ist wichtig, dass es nach dem 23. Februar 2025 klare Verhältnisse und eine stabile Regierung in Berlin gibt”, sagte der Manager in einem im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin “Capital”. “Gerade jetzt, in der Zeit des strukturellen Wandels, in der viele Unternehmen Milliarden in ihre Transformation stecken, müssen sie fest darauf bauen können, die erforderliche Stabilität und Sicherheit von der Politik zu erhalten.”

Thyssenkrupp bekräftigte, an der grünen Transformation festzuhalten. “Gleichwohl stellen wir fest, dass es an diversen Stellen Verzögerungen beim Aufbau von Infrastruktur und Produktionskapazitäten für eine zuverlässige Wasserstoffversorgung gibt.” Für den zeitgerechten Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur und die Rahmenbedingungen für einen langfristig wettbewerbsfähigen Wasserstoffbezug müsse die Politik in Deutschland und Europa Sorge tragen, um eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie in Europa abzusichern.

(Bericht von Christian Krämer, Matthias Inverardi, Andreas Rinke, Tom Käckenhoff redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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