– von Andreas Rinke und Anne Kauranen
Helsinki (Reuters) – Nach mehreren Russland zugeschriebenen Sabotageakten an Unterseekabeln wollen die Nato-Ostsee-Anrainer die Schutzmaßnahmen verstärken.
Dazu vereinbarten sie bei einem Treffen in Helsinki am Dienstag auch, direkt gegen Schiffe vorzugehen, von denen Gefahren ausgehen. “Wir behalten uns das Recht vor, im Einklang mit dem Völkerrecht gegen alle Schiffe vorzugehen, die im Verdacht stehen, Sanktionen zu umgehen und unsere Sicherheit zu gefährden, Infrastruktur und die Umwelt bedrohen”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Künftig sollen Schiffsversicherungszertifikate überprüft und Maßnahmen gegen die sogenannte russische Schattenflotte aus alten Schiffen unter internationaler Flagge verschärft werden, mit denen Russland westliche Sanktionen gegen Ölexporte umgeht. Deutschland wird sich Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge an der verstärkten Überwachung beteiligen.
Hintergrund sind schwere Vorfälle, bei denen Schiffe Kommunikations- und Energieinfrastruktur in der östlichen Ostsee beschädigt haben sollen. “Wir müssen davon ausgehen, dass sie Teil einer hybriden Strategie sind, die europäische Länder bedrohen”, sagte Scholz mit Blick auf die verdächtigen Schiffe. Sorgen vor einer Umweltkatastrophe hatte etwa der Vorfall mit einem mit russischem Öl beladenen Tanker ausgelöst, der vor Rügen manövrierunfähig wurde.
Es handelte sich um das erste offizielle Nato-Treffen in dem neuen Mitgliedsland Finnland. Auch der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen nahmen daran teil. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind die zuvor neutralen EU-Staaten Finnland und Schweden der Nato beigetreten. Bis auf Russland gehören somit alle Ostsee-Anrainer dem westlichen Verteidigungsbündnis an.
“Wir sind zutiefst besorgt über Handlungen, seien sie fahrlässig oder böswillig, die kritische unterseeische Infrastrukturen beschädigen oder deren Funktionieren bedrohen”, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. “Wir verurteilen Sabotageakte gegen kritische unterseeische Infrastrukturen aufs Schärfste. Auf jeden Angriff auf unsere Infrastruktur werden wir robust und entschlossen reagieren.”
Es sollen zusätzliche Mittel “auf See, in der Luft, an Land und unter der Meeresoberfläche” eingesetzt werden, um die Aufklärung und Abschreckung zu erhöhen. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Unterwasserdrohnen. Das sogenannte Maritime Sicherheitszentrum für die Ostsee in Rostock soll verstärkt die alliierten Schiffe in der Region koordinieren, das Maritime Zentrum der Nato für die Sicherheit kritischer Unterwasserinfrastrukturen seine Arbeit intensivieren. Ähnliche Sorge vor Anschlägen gibt es auch in der Nordsee.
Russland und China, die hinter den Beschädigungen der Strom- und Kommunikationskabel durch Schiffsanker gesehen werden, werden indirekt Sanktionen angedroht: Man werde die Rechenschaftspflichten für die Schiffe erhöhen – “einschließlich der Entschädigung für Schäden”, heißt es in der Erklärung.
Scholz forderte ein robusteres Vorgehen gegen Schiffe, die für Beschädigungen verantwortlich sind oder von denen Gefahren ausgehen. Man müsse gemeinsam Überwachungsstrategien absprechen. “Deutschland wird sich beteiligen im Rahmen seiner Möglichkeiten”, fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Außenministerien würden zudem rechtliche Handlungsmöglichkeiten für ein Vorgehen in internationalen Gewässern sondieren. Zuletzt hatte Finnland ein Schiff beschlagnahmt, das ein Untersee-Kabel zerstört haben soll. Es soll zur russischen Schattenflotte gehören. Offen ist aber, wie die Nato- und EU-Staaten mit verdächtigen Schiffen umgehen sollen, deren Besatzung und Eigner nicht kooperieren.
Der lettische Präsident Edgars Rinkevics warnte, man müsse sich auf weitere Vorfälle einstellen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen zeigte sich besorgt wegen der russischen Schattenflotte und forderte hier eine enge Zusammenarbeit mit den USA. Sie warf Russland vor, mit diesen Schiffen den gegen die Ukraine begonnenen Krieg gegen Europa fortzusetzen. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda kritisierte, dass die Sanktionen gegen Russland noch nicht scharf genug seien. “Wir müssen natürlich in der Lage sein, unser Gebiet zu schützen und zu verteidigen”, sagte die stellvertretende EU-Kommissionspräsidentin Henna Virkkunen. Auch sie forderte eine enge Abstimmung zwischen Ostsee-Anrainern, EU, Nato und den USA.
Hintergrund der Spannungen mit Russland ist nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch, dass die baltischen Staaten im Februar endgültig die noch bestehenden Verbindungen zum russischen Stromnetz kappen wollen.
(Bericht von Andreas Rinke, Anne Kauranen, Essi Lehto, Stine Jacobsen; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)