Oberstes Gericht schmettert TikTok-Klage gegen US-Verbot ab

– von Andrew Chung und John Kruzel

Washington (Reuters) – Im Kampf gegen das Verbot in den USA muss TikTok eine weitere Niederlage einstecken.

Der Oberste Gerichtshof der USA wies am Freitag eine Klage der Kurzvideo-Plattform ab. Den Richtern zufolge beschränke das entsprechende US-Gesetz nicht das von der Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit. “Es besteht kein Zweifel daran, dass TikTok für mehr als 170 Millionen Amerikaner ein weitreichendes Instrument für Meinungsäußerungen und Engagement darstellt”, begründeten die Richter ihre Entscheidung. “Aber der Kongress hat entschieden, dass die Veräußerung notwendig ist, um gut begründete Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit in Bezug auf die Praxis der Datenerhebung und die Beziehungen zu einem ausländischen Gegner zu berücksichtigen.”

TikTok und die Konzernmutter ByteDance stehen wegen ihrer Nähe zur chinesischen Regierung unter Spionageverdacht. Daher verabschiedete der US-Kongress im vergangenen Jahr mit großer überparteilicher Mehrheit ein Gesetz, das ByteDance dazu verpflichtet, sein US-Geschäft bis zum 19. Januar zu verkaufen. Ansonsten wird TikTok landesweit gesperrt. Dagegen hatte das Unternehmen geklagt. Für einen Kommentar zur aktuellen Entscheidung war es zunächst nicht zu erreichen.

UHR TICKT UNERBITTLICH HERUNTER

Nach der Entscheidung des Supreme Court steht TikTok in den USA unmittelbar vor dem Aus. Ein Verkauf bis zum Sonntag gilt als unwahrscheinlich, obwohl es Spekulationen um einen Deal mit dem Milliardär Elon Musk oder einem anderen Milliardär gab. Allerdings könnte der scheidende US-Präsident Joe Biden TikTok einen Rettungsring zuwerfen. Er kann die Frist für den Zwangsverkauf um bis zu 90 Tage verlängern, sofern er Fortschritte bei entsprechenden Verhandlungen erkennt. Nach Einschätzung des Anwalts Colin Costello von der Kanzlei Freshfields würde hierzu bereits ein einfaches Eckpunktepapier zwischen ByteDance und einem potenziellen Käufer ausreichen.

Die aktuelle US-Regierung bekräftigte am Freitag ihre Einschätzung, dass TikTok den Bürgern erhalten bleiben solle – allerdings unter amerikanischer Leitung oder unter einem anderen Eigentümer, der den US-Bedenken in Bezug auf die nationale Sicherheit Rechnung trage. Eine endgültige Entscheidung müsse die kommende Regierung fällen.

TRUMP ENTSCHEIDET ÜBER TIKTOK-SCHICKSAL

Damit liegt der Ball im Feld von Donald Trump, der am Montag und damit einen Tag nach dem möglichen Verbot für seine zweite Amtszeit als US-Präsident vereidigt wird. Er hatte das Verfahren gegen TikTok zwar vor einigen Jahren ins Rollen gebracht, sich zuletzt aber gegen ein Verbot ausgesprochen. In einem TV-Interview betonte er, dass das Schicksal von TikTok in seinen Händen liege. Wie seine Entscheidung aussehen werde, sagte er aber nicht. Sie werde in nicht allzu ferner Zukunft fallen. Allerdings soll TikTok-Chef Shou Zi Chew bei Trumps Amtseinführung einen “Ehrenplatz” erhalten.

Trump könnte das Justizministerium anweisen, das Gesetz nicht zu vollziehen, erläuterte der Rechtsexperte Costello. Nach Einschätzung des Juraprofessors Anupam Chander von der Georgetown University könnte er aber auch in einem Dekret verfügen, dass der Erhalt von TikTok positiv für die nationale Sicherheit sei, weil es Nutzer vom Wechsel zur App RedNote abhalte. Deren Betreiber sitzen in China und unterliegen der dortigen Zensur. Dies wäre allerdings ein Affront gegen den Kongress, betonte Chander. Außerdem könnte es einen Präzedenzfall schaffen. “Wenn man dem Präsidenten unbeschränkte Befugnisse im Bereich der nationalen Sicherheit einräumt, kann er sie auf unerwartete Weise ausüben.”

(Bericht von Andrew Chung und John Kruzel; geschrieben von Hakan Ersen; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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