– von Rene Wagner und Christian Krämer
Berlin (Reuters) – Deutschland droht bei neuen Handelskonflikten mit den USA ein drittes Jahr in Folge mit schrumpfender Wirtschaftsleistung.
Eine solch lange Rezessionsphase hat es seit Gründung der Bundesrepublik noch nie gegeben. Bisher gehen viele Ökonomen noch von einem geringen Wachstum 2025 aus. Nach der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump gilt dies aber nicht mehr als sicher. “Eine erneute Rezession der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr wird dadurch immer wahrscheinlicher”, sagte Top-Ökonom Marcel Fratzscher am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Perspektiven sind schlecht. Der Branchenverband BGA prognostizierte für den Großhandel preisbereinigt eine Stagnation in diesem Jahr. Die Außenhandelsumsätze dürften um 2,7 Prozent sinken. “Wir stecken im Tunnel, aber ohne Licht”, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura.
Ähnlich wie Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), schließen auch die Sparkassen eine Wende zum Schlechteren nicht aus. Sonderzölle, mit denen Trump seit längerem droht, könnten der Auslöser sein. Der Sparkassenverband rechnet eigentlich mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Sollte Trump allerdings seine Drohungen zu Importzöllen umsetzen, “dann könnte das BIP-Wachstum hierzulande um 0,3 bis 0,6 Prozentpunkte sinken”, warnte Sparkassen-Präsident Ulrich Reuter und betonte: “Dann haben wir eine Rezession.”
Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, malt ebenfalls ein düsteres Bild. Zwar könnten manche deutsche Unternehmen im Falle von neuen Zöllen ausweichen, indem sie mehr in den USA produzieren. “Aber das gefährdet natürlich Arbeitsplätze in Europa. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass solche Zölle ein bis zwei Prozent Wirtschaftswachstum kosten könnten”, sagte die Münchner Ökonomin der “Rheinischen Post”.
Das deutsche BIP ist bereits 2023 um 0,3 Prozent und 2024 um 0,2 Prozent geschrumpft. Zwei aufeinanderfolgende Rezessionsjahre gab es bisher nur einmal – und zwar 2002 und 2003. Damals reagierte die rot-grüne Regierung mit der “Agenda 2010” – weitreichenden Arbeitsmarkt- und Sozialreformen. Vertreter der Wirtschaft fordern nach der Bundestagswahl Ende Februar ebenfalls strukturelle Änderungen, um den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Die Wünsche reichen von weniger Bürokratie, über niedrigere Steuern und Energiepreise bis zu mehr ausländischen Fachkräften.
RAT DER WIRTSCHAFT: GESPRÄCH MIT TRUMP SUCHEN
Die in Europa für die Handelspolitik zuständige EU-Kommission hat dem deutschen Industrieverband BDI zufolge Optionen, entschlossen auf neue Zölle zu reagieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. “Aber das sollte nicht der erste Reflex sein.” Es gebe Möglichkeiten zum beiderseitigen Nutzen, etwa bei Regulierungsfragen, technischen Standards oder widerstandsfähigeren Lieferketten. Die EU sollte Trump daher Angebote zur Kooperation machen.
Ähnlich äußerte sich der Automobilverband VDA, der eine Zusammenarbeit mit Trump empfahl. Die transatlantische Partnerschaft müsse erweitert werden. Europa würde bei einem Handelskrieg nur verlieren. Wirtschaftliche Stärke sei letztlich die beste Antwort auf Trump. Der Republikaner hatte bei seiner Amtseinführung am Montag den 1. Februar als möglichen Zeitpunkt genannt, ab dem Zölle von 25 Prozent auf Einfuhren aus Mexiko und Kanada erhoben werden sollten.
“Wir dürfen nicht in Panik verfallen”, sagte BGA-Präsident Jandura. Trump drohe zwar sehr häufig, um einen besseren Deal für die USA durchzusetzen. Er sei aber ein Pragmatiker. Es müsse zunächst in Ruhe bewertet werden, wie Trump gegen seine Nachbarn vorgehe. Zölle und Gegenzölle würden auch für die USA schnell Wohlstandsverluste bedeuten. Stattdessen sollten lieber die Handelsbeziehungen in anderen Weltregionen vertieft werden, etwa in Südamerika.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor einer höheren Inflation dies- und jenseits des Atlantiks, sollten neue Zölle eingeführt werden. Man werde Trump zwar die Hand ausstrecken. “Wir müssen uns auch nicht rumschubsen lassen”, schränkte der Kanzlerkandidat der Grünen jedoch ein. Zurückhaltend reagierte er auf die Möglichkeit einer Annäherung an die Trump-Regierung, indem mehr Flüssiggas importiert werde. Habeck verwies darauf, dass an den deutschen LNG-Terminals ohnehin mehr als 80 Prozent des Brennstoffs aus den USA kämen. Zudem entschieden in der Marktwirtschaft Preis und Verfügbarkeit über den Einkauf, der von Unternehmen umgesetzt werde.
(Mitarbeit von Klaus Lauer, Markus Wackert und Christina Amann, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)