EZB bleibt auf Lockerungskurs – “Raum für weitere Zinssenkungen”

– von Reinhard Becker und Rene Wagner

Frankfurt/Berlin (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt angesichts der mauen Konjunktur und nachlassender Inflationssorgen auf Zinssenkungskurs.

Der EZB-Rat entschied am Donnerstag, den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz um einen Viertelpunkt auf 2,75 Prozent zu kappen. Der laut Notenbankchefin Christine Lagarde einstimmig beschlossene Zinsschritt war bereits der fünfte, seit die Währungshüter im Juni die Zinswende eingeleitet haben. Die EZB will sich zwar noch nicht auf den weiteren Kurs festlegen, doch sei die Fahrtrichtung klar, sagte Lagarde – und zwar “abwärts gerichtet”. Wann und wie stark die Geldpolitik weiter gelockert wird, hängt demnach von Konjunkturdaten und dem Ausblick ab. Lagarde verwies darauf, dass bis zur nächsten Sitzung im März eine Reihe weiterer Inflationsdaten hereinkommen und auch die aktualisierten Prognosen der EZB-Volkswirte zu Inflation und Wachstum vorliegen.

Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch gut eine Woche nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump eine Pause eingelegt.

Die Währungshüter in Washington haben angesichts der rund laufenden Wirtschaft in den USA keine Eile mit weiteren Lockerungsschritten. Sie wollen sich zunächst ein umfassendes Bild von den Folgen der Politikwende Trumps machen.

In der Euro-Zone rechnen Experten dagegen mit weiter sinkenden Zinsen. So auch Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank: “Tatsächlich nahmen einige EZB-Offiziellen bereits in den vergangenen Wochen kein Blatt vor den Mund: Die Zinsen werden weiter sinken. Der Einlagensatz soll auf zwei Prozent geführt werden. Demnach liegen relativ gesichert drei weitere Zinssenkungen vor uns.”

Beim Kampf gegen die Inflation wähnt sich Lagarde auf der Zielgeraden: “Ja, wir sind zuversichtlich, dass die Inflation im Laufe des Jahres unser Ziel erreichen wird, und zwar mittelfristig und nachhaltig bei zwei Prozent.” Die EZB rechnet nach den Prognosen ihrer Volkswirte sogar damit, dass das Inflationsziel bereits im ersten Halbjahr nachhaltig erreicht wird. Im Dezember lag die Rate noch bei 2,4 Prozent.

Ein großer Unsicherheitsfaktor beim Ausrichten ihrer Geldpolitik ist für die EZB die künftige Zollpolitik von US-Präsident Trump. Höhere Zölle könnten zu Handelskonflikten führen, was die europäische Wirtschaft zusätzlich dämpfen und die Inflation nach oben treiben könnte. Lagarde äußerte sich entsprechend vorsichtig: “Die Risiken für das Wirtschaftswachstum sind weiterhin nach unten gerichtet. Größere Friktionen im Welthandel könnten das Wachstum im Euroraum belasten, indem sie die Exporte dämpfen und die Weltwirtschaft schwächen.”

ENDE DER SENKUNGEN DERZEIT KEIN THEMA

Die EZB-Präsidentin verwies darauf, dass die Geldpolitik noch “restriktiv” sei, also die Wirtschaft und die Inflation dämpfe. “Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass die EZB Raum für weitere Zinssenkungen sieht”, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Lagarde betonte zudem, dass eine Diskussion über ein mögliches Ende der Zinssenkungen “verfrüht” sei. Mit dem nunmehr erreichten Niveau beim Einlagenzins von 2,75 Prozent kommt die EZB dem als neutral betrachteten Bereich von 1,75 bis 2,50 Prozent näher. In dieser Spanne heizt der Zinssatz die Wirtschaft weder an, noch dämpft er sie.

Dem EU-Statistikamt zufolge trat die Wirtschaft im Euroraum von Oktober bis Dezember auf der Stelle. Für das Gesamtjahr 2024 ergibt sich daraus ein Plus von 0,7 Prozent in der Währungsunion. Lagarde verwies darauf, dass die Stagnation nur ein Quartal betraf: “Wenn man das ganze Jahr betrachtet, sieht die Sache anders aus. Es gibt also eine Erholung, aber keine Stagflation.” Dieser Begriff bedeutet im Ökonomensprech, dass eine Volkswirtschaft nicht mehr wächst und zugleich die Inflation hoch ist.

(Bericht von Frank Siebelt, Reinhard Becker, redigiert von Kirsti Knolle Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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