Wirtschaft schrumpft stärker – “Strukturkrise zieht alles nach unten”

Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft ist am Jahresende 2024 etwas stärker geschrumpft als bislang angenommen.

Das Bruttoinlandsprodukt sank von Oktober bis Dezember um 0,2 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Eine frühere Schätzung, die aber noch auf weniger Daten beruhte, hatte nur ein Minus von 0,1 Prozent ergeben. Während die privaten und staatlichen Konsumausgaben im Herbst wuchsen, fielen die Exporte “deutlich niedriger” aus. Im Sommerquartal hatte es zumindest noch zu einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent gereicht.

“Um die deutsche Wirtschaft bleibt es schlecht bestellt”, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. “Sie schrumpft sogar etwas stärker als gedacht.” Für das laufende erste Quartal signalisieren Frühindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder die Auftragseingänge der Industrie noch keine grundlegende Besserung. “Ab dem Frühjahr zeichnet sich allenfalls eine blutleere Aufwärtsbewegung ab”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. “Die tiefe Strukturkrise in der Industrie und Trumps Zolldrohungen ziehen alles nach unten.” Der seit dem 20. Januar amtierende US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf hohe Zölle auch auf Waren aus Europa angedroht. Das würde Deutschland besonders stark treffen, sind die USA doch der größte Abnehmer von Waren “Made in Germany”.

Im Gesamtjahr 2024 schrumpfte Europas größte Volkswirtschaft um 0,2 Prozent, nachdem sie 2023 schon ein Minus von 0,3 Prozent verkraften musste, bestätigte das Statistikamt seine früheren Angaben. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es zuletzt 2002/03. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für 2025 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent. Kommt es so, wäre dies die bislang längste Konjunkturflaute in der Geschichte der Bundesrepublik.

ANDERE SCHNEIDEN BESSER AB

Verglichen mit anderen großen Euro-Ländern schnitt Deutschland im vergangenen Jahr schlecht ab. Frankreich schaffte ein Wachstum von 1,1 Prozent, Spanien sogar von 3,2 Prozent. “Die aggressive Industriepolitik Chinas setzt dem Export zu, gleichzeitig sind die Energiepreise durch die russische Invasion in der Ukraine weiter hoch”, erklärte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die deutsche Flaute. “Außerdem bremsen die für die aktuelle Konjunkturlage immer noch hohen Zinsen der Europäischen Zentralbank Investitionen, vor allem beim Bau.” Die zum Jahresbeginn deutlich gestiegenen Sozialabgaben verringerten die verfügbaren Einkommen und dämpften den Konsum.

Die nächste Bundesregierung kann nicht auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft hoffen. Im Jahreswirtschaftsbericht der alten Regierung wurden am Mittwoch die Prognosen abermals deutlich gesenkt. Nach zwei Rezessionsjahren rechnet Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun 2025 nur noch mit einem Wachstum von 0,3 Prozent, statt der bisher erwarteten 1,1 Prozent.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Görtz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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