Koalitionsverhandlungen ÖVP/FPÖ in Österreich auf der Kippe

Wien (Reuters) – In Österreich schließt die konservative ÖVP ein Scheitern der Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ nicht mehr aus.

“Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass es sich noch ausgeht”, sagte der außenpolitische ÖVP-Verhandlungsführer Reinhold Lopatka am Dienstag der “Kleinen Zeitung”. “Da hat es wenig Sinn, noch weiter zu tun.” FPÖ-Chef Herbert Kickl wies aber Spekulationen zurück, ein Aus sei bereits besiegelt. “Wenn die Verhandlungen gescheitert wären, dann hätten Sie etwas Diesbezügliches gehört”, sagte er dem Sender ORF. Er habe zwar noch am Dienstag einen Termin beim Bundespräsidenten. Es sei aber üblich, diesen in regelmäßigen Abständen zu informieren. Die Gespräche mit der ÖVP am Dienstag seien gut gelaufen.

Die ÖVP ist der einzige potenzielle Partner der FPÖ. Die Gespräche schienen aber weitgehend festgefahren zu sein. Zuletzt waren Details über Streitpunkte wie Einwanderung, die EU und Sanktionen gegen Russland bekannt geworden. Zudem beansprucht die FPÖ die Kontrolle über die mächtigen Ministerien Finanzen und Inneres. Am Wochenende war ein 223-seitiges Dokument durchgesickert, das die bisherigen Gespräche zusammenfasst. Daraus lies sich lesen, dass ÖVP und FPÖ noch weit auseinander liegen – selbst in der Frage der Einwanderung, wo beide Seiten eine harte Linie vertreten.

Die euroskeptische und russlandfreundliche FPÖ hatte bei den Parlamentswahlen im September mit rund 29 Prozent der Stimmen den ersten Platz belegt. Sie war aber erst im Januar zur Regierungsbildung aufgefordert worden. Zuvor waren Verhandlungen der ÖVP mit der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos geplatzt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte Kickl daraufhin beauftragt, in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP eine Regierungsbildung zu versuchen. Sollte eine FPÖ-geführte Koalition gelingen, wäre Kickl der erste rechte Bundeskanzler in Österreich seit Kriegsende.

SPÖ und Neos erklärten sich nun bereit, erneut mit der ÖVP zu verhandeln. “Es gibt Alternativen zu dieser Situation, zu dieser Tyrannei der FPÖ”, erklärte etwa Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. “Wir sind nicht die USA, wir sind Österreich. Bei uns muss man Mehrheiten finden.” Der ÖVP stünden alle Türen offen. “Sie kann, wenn sie will, auch einen anderen Weg einschlagen. Niemand ist Geisel eines selbsternannten Führers.”

(Bericht von Francois Murphy. Geschrieben von Ralf Bode.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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