Unicredit: Commerzbank-Entscheidung in drei bis fünf Quartalen

Mailand (Reuters) – Der italienische Commerzbank-Großaktionär Unicredit könnte innerhalb der kommenden drei bis fünf Quartale über ein Kaufangebot für das Frankfurter Geldhaus entscheiden.

Diesen Zeitrahmen nannte Unicredit-Chef Andrea Orcel am Dienstag bei der Vorlage der Quartalsbilanz. Er sei optimistisch, dass man mit konstruktiven Gesprächen ein gutes Ergebnis erreichen könne, sagte der Bankchef. Im Fall eines Übernahmeangebots müsse man noch weitere neun Monate für den Abschluss des Deals hinzurechnen.

Orcel kritisierte die Informationspolitik der Commerzbank. Er bekomme nur unzureichende Informationen über den Teil der Bank, in dem die zentralen Funktionen angesiedelt seien, sagte der Unicredit-Chef. Das werfe Fragen zu Transparenz und Risiko und nach der wahren Effizienz und Profitabilität der Commerzbank auf, da der Bereich “Corporate Center” fast die Hälfte des Instituts ausmache. Auch über Technologie- und Datenfragen sowie den Stand der Integration früherer Zukäufe wie der Dresdner Bank wünsche man sich mehr Klarheit, ebenso über die Glaubwürdigkeit der neuen Geschäftsziele, zumal einige der früheren Ziele verfehlt worden seien.

Unicredit kontrolliert etwa 28 Prozent der Commerzbank-Anteilsscheine. Rund 9,5 Prozent der Aktien halten die Italiener direkt, zudem haben sie sich Zugriff auf insgesamt 18,5 Prozent durch Finanzinstrumente gesichert. Die Commerzbank wertet das Vorgehen als feindlichen Übernahmeversuch.

GROSSAKTIONÄR KÖNNTE TROTZ HÖHERER AUSSCHÜTTUNGEN AUSSTEIGEN

Die expansionsfreudige italienische Großbank, die im vierten Quartal die Gewinnerwartungen der Analysten übertroffen hat, versprach ihren Aktionären für die kommenden Jahre höhere Ausschüttungen. Im laufenden Jahr will Orcel den Ertrag trotz enger werdender Zinsmargen stabil halten, die Ausschüttungen an die Aktionäre sollen ab 2025 steigen.

Einen großen Aktionär könnte die Bank dennoch bald verlieren: Die Familie des Luxottica-Gründers Leonardo Del Vecchio erwäge einen Verkauf ihres Pakets von 2,7 Prozent im Wert von rund zwei Milliarden Euro, berichtete der “Corriere della Sera” am Dienstag. “Ich respektiere ihre Entscheidung”, sagte Orcel. “Mein Job ist es, das im Nachhinein zu einer falschen Entscheidung zu machen, wenn sie es wirklich vorhaben.”

Bis 2027 strebe die Bank einen Nettogewinn von zehn Milliarden Euro an. Im Gesamtjahr 2024 standen 9,7 Milliarden Euro zu Buche, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. “In dieser Phase wollen wir unser Wachstum beschleunigen und den Vorsprung auf unsere Wettbewerber ausbauen”, erklärte Orcel. Zukäufe müssten dabei strengen strategischen und finanziellen Anforderungen genügen, betonte der gelernte Investmentbanker, der Unicredit auf einen aggressiven Expansionskurs geführt hat.

Das Unternehmen blickt auf eine lange Geschichte von Übernahmen zurück. So hatte es vor 20 Jahren in einem spektakulären Deal die Münchener Hypovereinsbank und mit ihr die österreichische Bank Austria übernommen. Derzeit bietet Unicredit für die kleinere italienische BPM und hat sich ein Paket von fünf Prozent am Versicherer Generali gesichert. Ein deutlich größerer Zukauf wäre die Commerzbank. Management und Arbeitnehmervertreter des Frankfurter Geldhauses pochen allerdings auf ihre Selbstständigkeit, die Commerzbank wehrt sich auch mit einem Aktienrückkauf.

RUSSLAND-GESCHÄFT GIBT ES NICHT FÜR EINEN EURO

Zum nach wie vor bestehenden Russland-Geschäft der Bank sagte Orcel, man versuche dort eine Balance zwischen dem moralisch Richtigen und den Interessen der Anteilseigner zu finden. Solange er nicht gezwungen sei, werde er das Geschäft nicht für einen symbolischen Euro verkaufen. Unicredit ist die zweitgrößte noch verbliebene westliche Bank in Russland nach der österreichischen RBI. Beide stehen unter Druck der Aufsichtsbehörden, sich aus Russland zurückzuziehen. Das Zahlungsgeschäft dort werde ausschließlich mit Firmenkunden, innerhalb der Sanktionsvorgaben und “immer mehr auch nach den EZB-Vorgaben” betrieben, sagte Orcel.

(Bericht von Valentina Za, geschrieben von Olaf Brenner, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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