Scholz und SPD dementieren Rassismus-Vorwurf – Merz “fehlen die Worte”

Berlin (Reuters) – Ein Bericht über eine angebliche Rassismus-Äußerung von Kanzler Olaf Scholz auf einer privaten Feier schlägt zehn Tage vor der Bundestagswahl hohe Wellen: Die SPD schaltete am Mittwoch den Medienanwalt Christian Schertz ein.

Scholz selbst distanzierte sich in einer Erklärung zu einem Bericht von “Focus online” von dem dort erhobenen Vorwurf, er habe den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) rassistisch beleidigt. Am Abend telefonierten der SPD-Politiker und Chialo nach Angaben aus dem Umfeld Scholz. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sowie andere CDU-Politiker reagierten empört. Er sei “wirklich sprachlos” gewesen, als er von dem Vorfall gehört habe, sagte Merz am Rande eines Wahlkampftermins in Neubrandenburg.

Auslöser ist ein Bericht von “Focus online”, in dem der Focus-Chefredakteur Georg Meck über eine private Feier schreibt, bei der er selbst anwesend gewesen sei und die vor zehn Tagen stattgefunden hatte. Dabei soll es einen Dialog gegeben haben, in dem Scholz Chialo in einer Debatte über die umstrittene Abstimmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit der AfD im Bundestag als einen “Hofnarr” der CDU bezeichnet haben soll.

Medienanwalt Schertz kündigte in einer Erklärung presserechtliche Schritte gegen “Focus online” an, weil in dem Bericht bewusst ein Rassismus-Bezug suggeriert werde. Diesen hatte auch Scholz in einer Erklärung strikt zurückgewiesen. Er habe in der Debatte mit Chialo gesagt, dass es nur sehr wenige liberale Stimmen in der CDU gebe, die sich gegen das Verhalten des CDU-Vorsitzenden bei den Abstimmungen mit der AfD gestellt hätten. “Der dabei von mir verwandte Begriff (Hofnarr) ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert. Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert. Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union”, schrieb Scholz weiter. Im sogenannten “Spitzengespräch” des “Spiegel” dementierte Scholz die Vorwürfe ebenfalls scharf. Er habe das Wort “Hofnarr” schon häufiger benutzt “und auch gegenüber Anderen”. Er sei schwer betroffen über den absurden Vorwurf des Rassismus.

Der Unternehmer Harald Christ, der Gastgeber des Abends, wies in einem Text auf der Plattform X darauf hin, dass er bei dem Dialog nicht zugegen gewesen sei. “Ich kenne Olaf Scholz aber lange und gut genug, um zu sagen: Es ist absurd, den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken”, schrieb er. Ohnehin sei Grundlage der Gespräche an dem Abend Vertraulichkeit gewesen, sagte er zu der Berichterstattung.

Der Focus-Chefredakteur hielt dagegen in “Welt”-TV an seiner Darstellung fest. Chialo habe “bestürzt und sprachlos” reagiert, sagte er. Viele CDU-Politiker teilten den Bericht am Mittwoch. CDU-Chef Merz kritisierte, dass Scholz offenbar Respekt immer nur für sich selbst beanspruche. Er erwarte von dem Bundeskanzler nicht mehr viel, sagte er auf die Frage, ob er eine Entschuldigung fordere. “Das muss er selbst entscheiden. Mir fehlen die Worte”, fügte Merz hinzu. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der “Bild”, Scholz verliere die Kontrolle. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, fordert Scholz sogar zum Rücktritt auf.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch wiederum sprach von einer offenbar von der CDU inszenierten gezielten Kampagne. “Die Partei, deren Vorsitzender Menschen als ‘kleine Paschas’ und ‘Sozialtouristen’ diffamiert, sollte sich mit unhaltbaren Anschuldigungen gegen Olaf Scholz zurückhalten”, teilte er mit. Medienanwalt Schertz verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass “Focus online” bereits vor einigen Wochen einen Bericht zurückziehen und sich entschuldigen musste, in dem behauptet worden war, dass die SPD eine Kampagne von “Frauen gegen Merz” initiiert habe.

(Bericht von Andreas Rinke; Redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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