Studie: Höhere Rüstungsausgaben können Wachstum in Europa anschieben

Berlin (Reuters) – Höhere Verteidigungsausgaben können einer Studie zufolge das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln und den Industriestandort stärken.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne um 0,9 bis 1,5 Prozent im Jahr steigen, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Voraussetzung dafür sei, dass die EU-Staaten in dem entsprechenden Jahr ihre Militärausgaben vom Nato-Ziel von 2,0 auf 3,5 Prozent des BIP anheben und zudem von überwiegend US- auf heimische Hightech-Waffen umsteigen würden.

“Wenn die europäischen Regierungen es richtig anstellen, können sie die Kosten der militärischen Aufrüstung in Grenzen halten”, sagte Studienautor Ethan Ilzetzki. “Das bedeutet, dass Europa über seine Militärausgaben im Lichte seiner Prioritäten für die regionale Sicherheit entscheiden kann, ohne sich von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen.”

Die Debatte über die Fähigkeit Europas, sich selbst zu verteidigen, hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor rund drei Jahren an Dringlichkeit gewonnen. Viele Länder haben seitdem ihre Militärbudgets erhöht. Dennoch lagen die EU-Ausgaben im vergangenen Jahr den Angaben nach knapp unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent.

Die Studie widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass höhere Militärausgaben Regierungen vor die Wahl stellen: “Waffen oder Butter”. Zusätzliche Gelder, Arbeitskräfte und Rohstoffe für militärische Zwecke gehen demnach traditionell nicht ausschließlich zulasten des privaten Konsums. Das Wirtschaftswachstum könne aber geringer ausfallen oder sogar negativ sein, wenn zusätzliche Verteidigungsausgaben von Anfang an durch höhere Steuern finanziert würden. Europas Regierungen sollten daher mehr Schulden aufnehmen, um vorübergehende Mehrausgaben oder den Übergang zu auf Dauer höheren Budgets zu finanzieren.

Vor allem aber sollten die Regierungen dafür sorgen, dass ein größerer Teil ihrer Militärausgaben in Europa bleibe. Derzeit stammten rund 80 Prozent ihrer Beschaffungen von Unternehmen außerhalb der Europäischen Union. Aber nur die heimische Produktion könne erhebliche wirtschaftliche Aktivität schaffen.

“Wenn Europa die nächste Generation von Rüstungstechnologie und andere Waffen vor Ort entwickeln könnte, anstatt sie aus den USA zu kaufen, könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen zusätzlicher Verteidigungsausgaben weit über kurzfristige fiskalische Multiplikatoreffekte hinausgehen und das Wachstum mittelfristig ankurbeln”, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von knapp zwei auf 3,5 Prozent des BIP würde derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten. “Aber die Studie legt nahe, dass diese Summe eine ähnlich hohe zusätzliche private Wirtschaftstätigkeit erzeugen könnte, wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde”, sagte Schularick.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL1C0TX-VIEWIMAGE