(Neu: Bundesregierung, Tusk,)
Berlin/London (Reuters) – Kurz vor der europäischen Ukraine-Konferenz in Paris zeigen sich deutliche Differenzen, was man der Ukraine an möglichen Sicherheitsgarantien nach einem Friedensschluss anbieten könnte.
Während der britische Premierminister Keir Starmer die Entsendung von Soldaten anbot, lehnte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk dies für sein Land ab. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson schloss sie zumindest nicht aus. Die Bundesregierung wiederum pochte darauf, dass die Europäer auf jeden Fall bei Verhandlungen zwischen den USA und Russland mit am Tisch sitzen müssten. “Trump etwas für einen Deal zuzusagen, den wir nicht einmal im Ansatz kennen, wäre fahrlässig”, sagte ein Regierungsvertreter zudem in Berlin.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zu dem für zwei Stunden angesetzten Treffen am Montagnachmittag in Paris kurzfristig nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump eingeladen, zusammen mit Russland eine Friedenslösung für die Ukraine auszuhandeln. An den Beratungen werden neben Kanzler Olaf Scholz etwa die Regierungschefs von Spanien, Italien, Dänemark, den Niederlanden und Polen teilnehmen. Die US-Regierung bereitet ein mögliches Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Saudi-Arabien vor.
Allerdings dämpfte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Erwartungen: Er schloss territoriale Zugeständnisse seines Landes aus, das seit dem Überfall auf das Nachbarland 2022 etwa 20 Prozent des Gebiets der Ukraine besetzt hält. “Territoriale Zugeständnisse an die heutige Ukraine wurden von der sowjetischen Führung während der Gründung der UdSSR gemacht”, sagte Lawrow. Er machte sich über die Forderung der US-Regierung lustig, dass die Ukraine die US-Hilfe mit Zugang zu Rohstoffen wie Seltenen Erden bezahlen sollte. Die Europäer fürchten, dass Trump Putin möglicherweise zu große Zugeständnisse machen würde. Bundeskanzler Scholz hatte Sonntagabend erneut einen “Diktatfrieden” und eine Demilitarisierung der Ukraine abgelehnt.
EUROPÄER MÜSSEN LINIE ABSTECKEN
Durch die Ankündigung der US-Pläne sind die Europäer aber unter Druck geraten, nun ihrerseits zu klären, was sie künftig für die Ukraine tun wollen. Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Keith Kellogg, hatte am Samstag gesagt, dass die Europäer nicht mit am Tisch säßen. Etliche US-Regierungsvertreter hatten diese Absage aber wie Außenminister Marco Rubio in Hintergrundgesprächen relativiert.
Kellogg hatte den europäischen Nato-Verbündeten einen Fragebogen vorgelegt, um abzufragen, was sie an Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgeben können. Hintergrund ist auch die deutliche amerikanische Ansage, dass die USA hier vor allem eine Rolle für die Europäer sehen. Scholz hatte allerdings klar gemacht, dass die USA und die Europäer auch diesen Schritt gemeinsam gehen müssten. Hintergrund ist die Sorge, dass etwaige europäische Friedenstruppen in der Ukraine von russischer Seite angegriffen werden könnten und die Supermacht USA dann nicht helfen wolle.
Macron hatte den Vorschlag des Einsatzes von Bodentruppen in der Ukraine bereits im vergangenen Jahr gemacht, war aber auf deutliche Ablehnung gestoßen. Jetzt geht es aber nicht um Kampftruppen, sondern um Kräfte, die nach einem Friedensschluss verhindern könnten, dass Russland erneut angreift. Ein ukrainischer Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, bisher hätten nur Frankreich und Großbritannien gesagt, dass sie sich die Entsendung von Friedenstruppen vorstellen könnten.
Die Entscheidung, britische Soldaten und Soldatinnen möglicherweise “in Gefahr zu bringen”, habe er sich nicht leicht gemacht, schreibt Starmer in einem Beitrag für die Zeitung “Daily Telegraph”. Ein dauerhafter Frieden in der Ukraine sei jedoch unerlässlich, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin von weiteren Aggressionen abzuschrecken. Nach britischen Regierungsangaben soll Starmer Trump kommende Woche treffen.
“Diese Frage stellt sich heute überhaupt nicht”, betonte dagegen CDU-Chef Merz am Sonntagabend in dem TV-Quadrell bei RTL/ntv auf die Frage nach dem Einsatz deutscher Soldaten. “Die Frage, ob es Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben wird und wenn ja, wer sie dann übernimmt, ist eine Frage, die sich frühestens nach einem belastbaren, dauerhaften Waffenstillstand stellt”, sagte er. Kanzler Scholz (SPD) sieht als besten Weg die dauerhafte Ausrüstung und Finanzierung einer starken ukrainischen Armee. Er warnt aber gleichzeitig, dass keine Vorfestlegungen über die Köpfe der Ukrainer getroffen werden dürften.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wiederum hatte sich zudem wie einige EU-Regierungen dafür ausgesprochen, die Option einer Nato-Mitgliedschaft trotz des Widerstands der neuen US-Administration vom Tisch zu nehmen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte am Wochenende, dass die Nato-Mitgliedschaft der billigste und beste Weg für die künftige Sicherheit der Ukraine wäre. Russland lehnt dies strikt ab.
(Bericht von Tom Little, Anna Ringstrom, Alan Charlish, Dmitry Antonov, Andreas Rinke; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)