Frankfurt (Reuters) – Vor dem Wahlwochenende in Deutschland haben sich die Anleger an den europäischen Aktienmärkten vorsichtig vorangetastet.
Robuste Firmenbilanzen sorgten für eine optimistische Stimmung. Der Dax stand gegen Freitagmittag 0,2 Prozent höher bei 22.368 Punkten. Der EuroStoxx50 gewann 0,4 Prozent auf 5484 Zähler. Die Anleger warteten gespannt auf die Bundestagswahl am Sonntag, sagte Jochen Stanzl von CMC Markets. “Es besteht Hoffnung, dass die Neuwahlen in Deutschland eine Regierung hervorbringen, die Wachstumsimpulse setzt.”
Für lange Gesichter sorgten jüngste Konjunktursignale: So verzeichnete die Geschäftstätigkeit in der Eurozone im Februar nur ein verhaltenes Wachstum. Der Einkaufsmanagerindex notierte mit 50,2 Punkten unverändert, wie der Finanzdienstleister S&P Global zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Die Geschäftstätigkeit in Frankreich brach im selben Monat deutlich stärker ein als erwartet. Der Euro verbilligte sich daraufhin um 0,3 Prozent auf 1,0470 Dollar.
WAHLEN IN DEUTSCHLAND IM FOKUS
Eine neue Regierung in Deutschland steht Experten zufolge unter Druck, bedeutende Veränderungen umzusetzen, um die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln. “Die Wahl findet vor einem für Deutschland derzeit schwierigen Hintergrund statt, da die deutsche Wirtschaft gerade zwei aufeinanderfolgende Jahresrückgänge erlebt hat”, sagten Analysten der Deutschen Bank. “Es gibt eine große Debatte darüber, was Deutschland tun muss, um das Wachstum anzukurbeln.” Dazu gehört die Frage, ob die neue Regierung eine expansivere Haushaltspolitik verfolgen oder sogar die verfassungsmäßige Schuldenbremse reformieren sollte, um mehr Ausgaben zu ermöglichen. Dies wiederum könnte Strategen zufolge vor allem den Euro stützen.
CHEMIE UND BANKEN GEFRAGT
Nach einer Prognoseanhebung stiegen Aktien des Industriegase-Lieferanten Air Liquide in Paris um 3,8 Prozent auf den höchsten Stand seit Mitte März 2024. Die Analysten von JP Morgan hoben die “gute mittelfristige Wachstumsgeschichte” hervor und verwiesen auf einen hohen Auftragsbestand und Investitionspläne. Der Kurssprung bei den Franzosen trieb auch den Chemie-Sektorindex insgesamt an, der um 1,4 Prozent zulegte.
Ebenfalls gefragt waren Aktien aus der Bankenbranche, deren Sektorindex vor seinem neunten wöchentlichen Gewinn in Folge stand – die längste Serie seit Februar 1997. Für gute Stimmung sorgten steigende Gewinne und Aktienrückkäufe bei Standard Chartered. Die Papiere zogen in London um bis zu 5,7 Prozent an. Der Jahresgewinn der Bank kletterte aufgrund eines Rekordwachstums im Vermögensgeschäft und einer starken Leistung im Handel um 18 Prozent. Bei Energiewerten nahmen Anleger hingegen Gewinne mit. Größter Dax-Verlierer waren Mercedes-Benz mit einem Abschlag von 1,6 Prozent, die damit ihre Talfahrt nach den schwachen Zahlen von Donnerstag fortsetzten.
FRISCHES ÜBERNAHMEFIEBER BEI PRO7
Aktien von ProSiebenSat.1 hoben nach Medienberichten zu einem möglichen Übernahmeangebot ab. Die Papiere stiegen um 12,4 Prozent auf 6,04 Euro und damit auf den höchsten Stand seit Oktober. Nach Angaben mehrerer italienischer Zeitungen plant der Konzern MediaforEurope (MFE) nach den deutschen Wahlen am Sonntag ein Angebot abzugeben. Beide Unternehmen teilten Reuters mit, dass der Zeitplan für eine mögliche Übernahme nach der Veröffentlichung der Jahresergebnisse von ProSiebenSat.1 am 6. März weiterhin gilt. ProSiebenSat.1 fügte außerdem hinzu, dass noch kein Übernahmeangebot von MFE eingegangen sei.
(Bericht von Anika Ross. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)