– von Christian Krämer
Berlin (Reuters) – Bundesbank-Präsident Joachim Nagel traut der nächsten Regierung zu, den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.
“Die Beteiligten wissen, wo der Schuh drückt. Deutschland kann das”, sagte Nagel am Mittwoch am Rande des G20-Treffens in Kapstadt in einem Telefon-Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. “Es ist wichtig, dass die neue Regierung schnell handlungsfähig wird. Die Zeit drängt.”
Nach der Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag läuft es auf eine Koalition aus Union und SPD hinaus. Der wahrscheinlich nächste Kanzler, CDU-Chef Friedrich Merz, will das Bündnis bis Ostern schmieden und der Wirtschaftspolitik Priorität einräumen. “Unsere strukturellen Probleme müssen angegangen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern”, sagte Nagel. Die Bundesbank rechne dieses Jahr nur mit einer Wachstumsrate von 0,2 Prozent in Deutschland – nach zuvor zwei Rezessionsjahren in Folge. Hier seien negative Folgen aus Handelskonflikten mit den USA noch nicht eingerechnet. “Mehr Wachstum ist nötig.” Die gegenwärtige Lage sei nicht zufriedenstellend. “Es ist allerdings kein 100-Meter-Lauf, sondern eher eine Mittelstrecke. Dazu brauchen wir Ausdauer und eine Zuversicht, die derzeit fehlt.”
Die nächste Regierung braucht nach Einschätzung zahlreicher Experten mehr Finanzierungsspielräume. Im Fokus stehen dabei eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse oder neue Sondertöpfe neben dem eigentlichen Haushalt, etwa zur Modernisierung der Bundeswehr oder für mehr Investitionen in die Infrastruktur.
Nagel sagte, die Bundesbank werde in Kürze einen Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse veröffentlichen. “Es wird ein umfassendes Papier sein. Es zeigt Wege zu einer stabilitätswahrenden Reform der Schuldenbremse auf.” Bislang erlaubt die Schuldenbremse dem Bund strukturell nur eine maximale Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. “Diesen Spielraum könnte man innerhalb der europäischen Vorgaben vergrößern, um mehr Investitionen zu ermöglichen.” Konkrete Details wollte Nagel noch nicht nennen.
Die umfangreichen Goldreserven der Bundesbank will Nagel nicht zur Verfügung stellen – auch nicht für Zukunftsinvestitionen. “Das Thema ist ein No-Go. Darüber denken wir keine Sekunde nach.” Die Goldreserven sorgten für Vertrauen.
(Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)