Peking (Reuters) – Die chinesische Regierung will wegen des Handelskriegs mit den USA verstärkt den heimischen Konsum ankurbeln.
“Ein zunehmend komplexes und schwieriges externes Umfeld könnte China in Bereichen wie Handel, Wissenschaft und Technologie stärker beeinflussen”, warnte Ministerpräsident Li Qiang am Mittwoch in seiner Rede zur Eröffnung des Volkskongresses in Peking, der Jahrestagung des Parlaments. Die Welt verändere sich in einem Tempo, wie es seit einem Jahrhundert nicht mehr der Fall gewesen sei. Die Regierung gibt trotzdem für das laufende Jahr ein Wachstumsziel von fünf Prozent für das Bruttoinlandsprodukt aus.
Der Begriff “Konsum” wurde in Lis Bericht 31 Mal erwähnt. Im vergangenen Jahr tauchte er nur 21 Mal in der Rede auf, so die Analysten des Finanzhauses Guotai Junan. “Zum ersten Mal wurde die Steigerung des Konsums zur obersten Priorität unter den wichtigsten Aufgaben des Jahres 2025 erhoben”, sagte Analystin Tilly Zhang von der Denkfabrik Gavekal Dragonomics. “Damit wurde die Technologie von ihrer üblichen Führungsposition verdrängt.”
Um die private Nachfrage anzuregen, will die Regierung neue Anreize schaffen. Abgesehen von 300 Milliarden Yuan, die für ein erweitertes Subventionsprogramm für Elektrofahrzeuge, Haushaltsgeräte und andere Güter bereitgestellt wurden, enthielt Lis Rede aber wenig konkrete Angaben für die Haushalte. Versprochen wurde, die Ausgaben der Haushalte anzukurbeln. Ein anderer Regierungsvertreter sagte separat, dass entsprechende Maßnahmen noch in diesem Jahr angekündigt werden könnten.
“STREBEN NACH KONTINUITÄT”
Der Regierungschef sagte, in diesem Jahr 1,3 Billionen Yuan (168 Mrd. Euro) an ultralang-laufenden Spezial-Staatsanleihen auszugeben. 2024 waren es eine Billion Yuan gewesen. Die lokalen Regierungen sollen 4,4 Billionen Yuan an Sonderanleihen ausgeben dürfen, bisher waren es 3,9 Billionen Yuan. Unabhängig davon plant Peking die Aufnahme von 500 Milliarden Yuan zur Rekapitalisierung großer staatlicher Banken.
Bei der deutschen Wirtschaft kommt das gut an. “Chinas Führung strebt mit dem anvisierten Wachstum nach Kontinuität, womit die Erwartungen deutscher Unternehmen an den Ausgang des Volkskongresses weitestgehend erfüllt sind”, reagierte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Nordchina, Oliver Oehms, auf die Ankündigungen. Diesmal seien mehr Impulse zur Stabilisierung der Wirtschaft gesetzt und ein deutlicheres Signal des Anpackens vermittelt worden. “Für deutsche Unternehmen in China ist dies eine gute Nachricht – sie hoffen insbesondere auf einen belebenden Effekt auf die Binnennachfrage, die seit langem Kopfzerbrechen bereitet”, sagte Oehms.
Analysten zufolge zielen die höheren Schulden und Ausgaben darauf ab, die Auswirkungen der Zölle abzufedern, die US-Präsident Donald Trump verhängt hat. “Wir erwarten auch, dass die Behörden den Haushalt bis Mitte des Jahres anpassen werden, falls die Wachstumsdynamik durch die Handelsstreitigkeiten beeinträchtigt wird”, so die Analysten der Bank ANZ. Der Exportweltmeister steht unter Druck, weil Trump höhere Zölle verkündet hat. Bestehende Zölle auf chinesische Waren werden von zehn auf 20 Prozent verdoppelt. Im Gegenzug will China ab dem 10. März zusätzliche Zölle von zehn bis 15 Prozent auf bestimmte US-Importe erheben. Die Volksrepublik legte zudem Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO ein.
MEHR GELD FÜR RÜSTUNG
Die Volksrepublik will auch ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Das Land werde an seinem eingeschlagenen Kurs festhalten und 7,2 Prozent mehr für Rüstung ausgeben, ging aus einem Regierungsbericht hervor, der dem Parlament vorgelegt werden soll. Angesichts der Ambitionen Pekings für eine anhaltende Modernisierung der Streitkräfte und geopolitischer Spannungen von der Ukraine bis Taiwan hatten Experten mit diesem Schritt gerechnet. Präsident Xi Jinping will das Militär bis 2035 vollständig modernisieren.
China erhöht zudem den Druck auf Taiwan und warnt vor einer Einmischung von außen. “Wir werden die Sache der Wiedervereinigung Chinas entschlossen vorantreiben”, sagte Ministerpräsident Li. Gegen äußere Einmischung werde sich die Volksrepublik zur Wehr setzen. China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und hat wiederholt auch den Einsatz von Gewalt nicht ausgeschlossen, um die Herrschaft über die Insel wiederherzustellen.
In Lis Rede wurde dem Fortschritt auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz mehr Platz eingeräumt als im Jahr 2024. Er versprach, ihre Anwendung in Bereichen wie Elektrofahrzeugen, Smartphones und Robotern zu fördern. Das heimische Unternehmen Deepseek hatte zuletzt mit seinen Fortschritten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
(Bericht von Antoni Slodkowski, Laurie Chen, Jing Xu und Eduardo Baptista, Rene Wagner, redigiert von Sabine Wollrab – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)