Experte: Deutsche Schuldenquote kann 2034 die 100-Prozent-Marke reißen

Berlin (Reuters) – Die Pläne von Union und SPD für ein milliardenschweres Sondervermögen sowie eine Lockerung der Schuldenbremse könnten dem Finanzwissenschaftler Friedrich Heinemann zufolge die Staatsschulden stark steigen lassen.

“Damit würde sich Deutschland rasch zu den Hochschuldenstaaten der EU gesellen”, sagte der Experte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, am Mittwoch. “Deutschlands Schuldenquote könnte 2034 die 100-Prozent-Marke überschreiten.” Aktuell liegt sie bei etwa 64 Prozent und ist damit weit niedriger als in anderen großen Industriestaaten wie den USA, Frankreich, Italien oder Japan.

“Die Einigung von Union und SPD auf eine Reform der Schuldenbremse sendet in der Verteidigungspolitik ein wichtiges Signal des Beistands an die Ukraine. Dies ist zu begrüßen”, sagte Heinemann. “Allerdings gehen die anvisierten Lockerungen der Schuldenbremse viel zu weit.” Die Idee, Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent auf Dauer nicht auf die Schuldenbremse anzurechnen, entziehe dieser Fiskalregel die Grundlage. In den kommenden Jahren dürften Verteidigungsausgaben und Ukrainehilfen von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) notwendig sein.

“Nimmt man das geplante Infrastruktur-Sondervermögen und die angedachten neuen Verschuldungsmöglichkeiten der Länder hinzu, wie sie in der Absprache enthalten sind, öffnet sich ein gewaltiges Verschuldungsfenster”, warnte Heinemann. In der Summe könnte die Bundesrepublik damit auf Dauer in einer konjunkturellen Normallage verfassungskonform vier Prozent des BIP schuldenfinanzieren.

“Es kommt jetzt dem Bundestag mit seiner verfassungsändernden Mehrheit zu, diese unausgereiften Ideen mit einem richtigen Design zu versehen”, sagte der Finanzexperte. Essenziell seien Vorgaben, dass die Verteidigungsausgaben nicht auf Dauer schuldenfinanziert werden dürfen. “Es muss verbindliche Vorgaben geben, dass der Bundeshaushalt an anderer Stelle Einsparungen vornehmen muss”, sagte Heinemann. “Auch für Deutschland ist der fiskalische Spielraum endlich.” Derart hohe Schulden dürften rasch vom Kapitalmarkt mit steigenden Zinsen sanktioniert werden.

Die Aussicht auf höhere Staatsschulden treibt die Renditen am deutschen Anleihenmarkt bereits an. Die zehnjährigen Bundesanleihen rentieren mit 2,681 Prozent nach 2,480 Prozent am Dienstag und erreichen damit den höchsten Stand seit 16 Monaten. Einen so starken Anstieg der Rendite an einem Tag gab es zuletzt im September 2022. Union und SPD haben sich auf ein riesiges Finanzpaket verständigt. Um mehr Geld in die Verteidigung Deutschlands stecken zu können, soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schon in den kommenden Tagen gelockert werden. Außerdem ist ein 500 Milliarden Euro schwerer Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur geplant.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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