Finanzpaket von Union und SPD noch nicht in trockenen Tückern

Berlin (Reuters) – Das riesige Finanzpaket von Union und SPD ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Die Grünen ließen ihre Zustimmung am Mittwoch offen. “Wir haben eine Reihe von Fragen”, sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge im Bundestag zu Journalisten. SPD und Union wollen mit ihren Plänen die Infrastruktur modernisieren und Deutschland aufrüsten. Die Grünen werden benötigt, um im alten Bundestag noch in der nächsten Woche eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande zu bekommen. Die Linke und auch die AfD wollen die Verfassungsmäßigkeit der Pläne überprüfen.

Union und SPD hatten nach ersten Sondierungen zur Bildung einer schwarz-roten Regierung am Dienstagabend mitgeteilt, einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur einrichten zu wollen, der auf zehn Jahre angelegt ist. Außerdem soll die Schuldenbremse gelockert werden, um mehr Geld in die Verteidigung stecken zu können. Dafür sollen die Mehrheiten aus dem alten Bundestag genutzt werden. Denn im neugewählten Bundestag haben AfD und Linke eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Abgeordneten.

Die Fraktionsspitzen von CDU, CSU, SPD und Grünen trafen sich am Mittwochmittag für eine Stunde. Ergebnisse wurden nicht bekannt. Dröge sprach von einem “anständigen Gespräch”. Sie habe aber auch Zweifel, ob der gewählte Weg das richtige Verfahren sei. Die Grünen verwiesen auf den starken Zeitdruck. Die geplanten Grundgesetzänderungen würden die Schuldenbremse durchlöchern, “ein bisschen wie ein Schweizer Käse”. Eine grundsätzlichere Reform der Schuldenbremse anzugehen, könnte klüger sein. Außerdem fehle der Klimaschutz in den Plänen.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit geht davon aus, dass die Gesetzesänderung zur Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben von den Bundestagsfraktionen eingebracht wird. Dies würde die nötige Zustimmungs- und Beratungszeit im Verfahren deutlich verkürzen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr ließ grundsätzliche Bereitschaft erkennen, eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse zu unterstützen. Das Infrastruktur-Sondervermögen – ein schuldenfinanzierter Nebenhaushalt – ist für die FDP aber kein gangbarer Weg. Die Liberalen mahnten strukturelle Reformen an. Mit den Plänen dürfte die im internationalen Vergleich sehr niedrige Staatsverschuldung deutlich steigen. “Deutschlands Schuldenquote könnte 2034 die 100-Prozent-Marke überschreiten”, sagte Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Aktuell liegt sie bei etwa 64 Prozent.

LINKE FÜRCHTEN BLANKOSCHECK FÜR AUFRÜSTUNG

Die Linke zweifelte die Verfassungsmäßigkeit des Finanzpakets an. Die bemühte Dringlichkeit sei vorgeschoben, teilten die Spitzen der Partei und Linken-Fraktion im Bundestag mit. “Es geht ihnen nur darum, die neu gewählten Verhältnisse im Bundestag zu umgehen. Das missachtet den Willen der Wählerinnen und Wähler. Wir prüfen noch, ob eine solche Abstimmung über mehrere Hundert Milliarden im gerade abgewählten alten Bundestag überhaupt verfassungskonform ist.” Die Linke betonte, für die Aufhebung der Schuldenbremse für Investitionen zu sein. Es dürfe aber keinen Blankoscheck für Aufrüstung geben. “Das ist ein beispielloser und äußerst bedenklicher Vorgang.”

Auch die in Teilen rechtsextreme AfD erwägt rechtliche Schritte. “Fest steht, dass sich eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken ergeben, ob der 20. Bundestag in der angedachten Form überhaupt über eine solche langfristige, haushalterische Bindung des 21. Bundestages entscheiden darf”, sagte Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, der Nachrichtenagentur Reuters. Der neugewählte Bundestag trete noch im März zusammen, deshalb sei keine Eile nötig. “Wir befinden uns deshalb aktuell in einer rechtlichen Vorprüfung.”

SÖDER: OHNE KNALLHARTE ASYLPOLITIK KEINE KOALITION

Wegen des Finanzpakets ist CDU-Chef Friedrich Merz, der vermutlich der nächste Kanzler wird, unter Druck, bei anderen Themen eine stärkere Handschrift der Union durchzusetzen. CSU-Chef Markus Söder, der Teil des Sondierungsteams der Union ist, machte beim Politischen Aschermittwoch eine Kurswende in der Asylpolitik zur Voraussetzung einer Koalition mit der SPD. “Wir werden eine gute Koalition nur machen können, wenn wir die Migrationsfrage grundlegend angehen und einen knallharten Kurs fahren an der Stelle. Ohne eine Änderung gibt es keinen Segen für eine Koalition.”

Die deutsche Wirtschaft begrüßte das Finanzpaket. “Das ist ein wichtiges Signal, um die gefährliche Abwärtsspirale aus ausbleibenden Investitionen und Wachstumsschwäche zu stoppen und verteidigungsfähig zu werden”, sagte Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner. Dies sei mehr als ein Konjunkturpaket. “Es gibt der Wirtschaft die Möglichkeit, über zehn Jahre hinweg überfällige Investitionen in die Zukunft nachzuholen.” Das gebe den Unternehmen in unsicheren Zeiten endlich Verlässlichkeit.

(Bericht von Christian Krämer, Holger Hansen, Andreas Rinke, Alexander Ratz, Jörn Poltz und Rene Wagner.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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