S&P: Sondervermögen stützt das Top-Rating AAA für Deutschland

Berlin (Reuters) – Das von Union und SPD geplante riesige Finanzpaket für Infrastruktur und Verteidigung stützt der US-Ratingagentur S&P zufolge Deutschlands Top-Bonitätsnote AAA. “Unsere größte Sorge hinsichtlich der Kreditwürdigkeit Deutschlands ist die stagnierende Wirtschaft”, sagte der Top-Analyst von S&P, Frank Gill, am Mittwoch. “Alles, was die Binnenwirtschaft ankurbelt, ist also positiv für die Kreditwürdigkeit.”

Ähnlich äußerten sich die europäischen Bonitätswächter Scope. Durch das geplante Paket könne zwar der Schuldenstand bis 2029 auf rund 3,6 Billionen Euro oder rund 72 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen, sagte Scope-Analyst Eiko Sievert der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei zwar deutlich mehr als Ende 2024 mit rund 63 Prozent. Damit bliebe die Schuldenquote aber unter ihrem bisherigen Höchststand von 80 Prozent, der 2010 nach der globalen Finanzkrise erreicht worden sei. “Damals konnte Deutschland sein AAA-Rating halten”, sagte Sievert. “Ob dies auch in den nächsten Jahren gelingt, hängt auch von der Umsetzung notwendiger politischer Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums ab.”

Darüber hinaus würde das Rating vom Festhalten an einer – möglicherweise reformierten – Schuldenbremse profitieren. Eine kontinuierliche Umgehung der Schuldenbremse durch die Verwendung von Sondervermögen drohe ansonsten die Schuldenquote auf einen nicht nachhaltigen Kurs zu bringen.

Union und SPD hatten am Dienstagabend ein Sondervermögen für die Infrastruktur von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre verkündet. Zudem sollen alle Ausgaben für Verteidigung über ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht mehr unter die geltenden Schuldenregeln fallen. Scope zufolge deute dies auf neue Schulden von rund 625 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren hin – bei angenommenen Verteidigungsausgaben von etwa drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von einem Prozent und einer Inflationsrate nahe zwei Prozent.

Auch die US-Ratingagentur Moody’s rechnet mit “erheblichen” Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. Der Schuldenstand könne bis 2026 um fünf Prozentpunkte steigen. “Ein solcher Ausgabenanstieg würde jedoch das Wirtschaftswachstum über das Jahr 2026 hinaus stützen”, betonte Moody’s-Analyst Steffen Dyck. Das Finanzpaket sei “auch ein positives Signal für die Wirksamkeit der Politik”.

Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines Landes geht oft mit höheren Zinskosten einher. Anleger verlangen dann oftmals einen höheren Risikoaufschlag, wenn Ratingagenturen eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit für Investitionen in Staatsanleihen signalisieren.

“KEIN ERSATZ FÜR REFORMEN”

Diese Summe entspreche rund 13 Prozent der Wirtschaftsleistung, so Scope. “Dies würde es Deutschland ermöglichen, seine Investitionslücke deutlich zu verringern und den unmittelbar hohen Bedarf an Verteidigungsausgaben zu decken”, sagte Sievert. Entscheidend sei, dass sich die erhöhten Investitionsausgaben auf die Steigerung des mittelfristigen Wirtschaftswachstums konzentrierten. Zu den Prioritäten gehörten hier die Bewältigung der hohen Energiepreise, der Abbau von Bürokratie, Arbeitsmarktreformen zur Erhöhung der Erwerbsquote, Einwanderungskontrollen, die Deutschlands Attraktivität für qualifizierte Zuwanderer nicht negativ beeinträchtigen, und eine Steuerreform für mehr Unternehmensinvestitionen.

“Eine Einigung über neue Sondervermögen ist daher kein Ersatz für die nötigen, schwierigen politischen Reformen, um Ausgaben im regulären Haushalt neu auszurichten, damit die Kontinuität nach dem Auslaufen der Sondervermögen gewährleistet ist”, sagte der Scope-Lead-Analyst für Deutschland.

Sievert rechnet mit steigenden Kreditkosten, sollten große Sondervermögen kommen. “Ein deutlich höherer Schuldenstand geht in der Regel auch mit höheren Zinsen und einem höheren Anteil der Zinsaufwendungen im Haushalt einher”, sagte er. Im Vergleich zu anderen Ländern sei der aktuelle Anteil der Nettozinsen an den Staatseinnahmen in Deutschland mit rund 1,6 Prozent im Jahr 2024 jedoch immer noch niedrig. In anderen großen Industriestaaten wie Frankreich (3,5 Prozent), dem Vereinigten Königreich (5,7 Prozent) oder den Vereinigten Staaten (13,2 Prozent) sei er viel höher. Der Anteil könne jedoch in Deutschland durch die neue Schuldenaufnahme bis 2029 auf mehr als drei Prozent steigen. Das unterstreiche “die Notwendigkeit politischer Reformen zur Neuausrichtung des deutschen Staatshaushalts”, sagte Sievert.

Die Bonität des Bundes wird von den großen Ratingagenturen jeweils mit der Bestnote AAA bewertet. Das signalisiert den Käufern, dass ihre Investitionen in Bundeswertpapiere als äußerst sichere Anlage gelten. Dafür sind sie bereit, auf Rendite zu verzichten, während sie für weniger gut bewertete Papiere anderer Länder entsprechende Risikoaufschläge verlangen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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