Studie: Dauerkrise seit 2020 kostet deutsche Wirtschaft 735 Mrd Euro

Berlin (Reuters) – Corona, Ukraine-Krieg, geopolitische Verwerfungen: Die Krisen der vergangenen fünf Jahre haben Deutschland einer Studie zufolge fast eine dreiviertel Billion Euro gekostet.

Ohne sie würde das Bruttoinlandsprodukt rund 735 Milliarden Euro höher liegen, heißt es in der Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Diese lag der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vor. “Nach der Erholung vom Pandemie-Schock kommen die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland nunmehr seit drei Jahren nicht mehr über das Niveau des Jahres 2019 hinaus”, heißt es in dem Papier.

Zugleich übertreffen die Wirtschaftsausfälle die Einbußen während der Krisen in Deutschland im vergangenen Vierteljahrhundert: In der Strukturkrise 2001 bis 2004 beliefen sie sich demnach auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während die ökonomischen Kosten der Finanzmarktkrise um 2008/09 auf 4,1 Prozent beziffert werden. In den bisherigen 20 Quartalen seit Ausbruch der Corona-Pandemie belaufen sich die Einbußen demnach bereits auf 4,3 Prozent der tatsächlichen Wirtschaftsleistung.

“Deutschland befindet sich in seiner schwersten wirtschaftlichen Krise seit der Wiedervereinigung”, sagte IW-Konjunkturchef Michael Grömling. “Corona und Ukraine haben die Investitionstätigkeit der Unternehmen fast zum Erliegen gebracht. Das senkt unser Produktionspotenzial auf Jahre hinaus.” Aber auch die Politik treffe eine Mitschuld. Jahrelang habe sie den Standort vernachlässigt. “Das ist der Boden, auf dem uns die Krisen so hart treffen”, sagte Grömling. Es werde die Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, diesen Rückstand aufzuholen – etwa mit finanziellen Anreizen, günstigerer Energie und weniger Bürokratie.

Die gesamten Einbußen beim privaten Konsum über die vergangenen fünf Jahre hinweg dürften der Studie zufolge bei gut 470 Milliarden Euro liegen. Das entspreche 5600 Euro je Einwohner. Nachwirken dürfte aber vor allem, dass die Unternehmen weniger investiert haben. “Während in der Hauptzeit der Pandemie die Konsumschäden erheblich höher waren als die Investitionsausfälle, wird in den letzten Jahren die Schadensbilanz mehr und mehr von den ausbleibenden Investitionen geprägt”, so das IW. Bei den Bruttoanlageinvestitionen werden die Ausfälle in den vergangenen 20 Quartalen auf 265 Milliarden Euro geschätzt.

Das könnte dem Institut zufolge noch nachwirken. “Vor allem die zunehmenden Investitionsausfälle werden bleibende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Fähigkeit haben, die großen Herausforderungen durch Digitalisierung, Transformation, Demografie und Geopolitik bewältigen zu können”, betonte das IW.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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