Berlin (Reuters) – Die Grünen machen ihre Zustimmung zu dem von Union und SPD geplanten Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur von grundlegenden Änderungen abhängig.
“Diesem Gesetzentwurf werden wir keine Zustimmung erteilen”, kündigte Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Montag an. Ihre Kollegin an der Fraktionsspitze, Katharina Dröge, warf Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor, er habe den Menschen im Land “zweimal nicht die Wahrheit” gesagt. Co-Parteichefin Franziska Brantner sagte, die Grünen stünden nicht zur Verfügung, um Wahlversprechen von Union und SPD über Schulden zu finanzieren. Die Fraktion soll in einer Sondersitzung am Nachmittag einen eigenen Gesetzentwurf zu Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit beschließen.
Gleichwohl halten die Grünen an Gesprächen mit Union und SPD fest, um die Möglichkeit einer Gesamteinigung offenzuhalten. Dröge machte aber auch deutlich, dass die Grünen es für den besseren Weg hielten, den neuen Bundestag entscheiden zu lassen. Sie seien aber “auch zu schnelleren Entscheidungen” bereit.
Die Spitzen von Partei und Fraktion traten nach getrennten Beratungen des Bundesvorstandes und des Fraktionsvorstandes vor die Presse, nachdem Union und SPD sich am Samstag auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen verständigt hatten. CDU, CSU und SPD benötigen die Zustimmung der Grünen zu einer Grundgesetzänderung für einen 500-Milliarden-Euro-Schuldentopf für Investitionen und für eine Lockerung der Schuldenbremse, die Milliarden-Mehrausgaben für Verteidigung ohne Kreditdeckelung ermöglichen soll. Dies soll der alte Bundestag noch beschließen, bevor der neugewählte Bundestag am 25. März zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt. Im neuen Parlament können AfD und Linke eine Zwei-Drittel-Mehrheit verhindern.
INVESTITIONEN MÜSSEN ZUSÄTZLICH SEIN – MEHR KLIMASCHUTZ
Die Grünen beharren indes auf einer strukturellen Reform der Schuldenbremse, um zusätzliche Investitionen zu ermöglichen. Sie forderten die Union auf, dazu auch das Gespräch mit der Fraktion der Linken zu suchen. Dröge warf Merz vor, er habe vor der Wahl erklärt, Kredite seien für mehr Investitionen nicht nötig. Diese Aussage habe er nach der Wahl mit “einem beachtlichen Maße an Unverfrorenheit direkt wieder eingesammelt”. Der von Union und SPD geplante 500-Milliarden-Euro-Schuldentopf bringe aber keinen einzigen Euro mehr für Investitionen. Stattdessen gehe es um “Spielgeld” etwa für Steuersenkungen, höhere Pendlerpauschale und Subventionen für Agrar-Diesel. “Wir stehen mit Sicherheit nicht für Spielgeld zur Verfügung, und deswegen werden wir diesen Vorschlägen nicht zustimmen”, unterstrich Dröge.
Auch bei Verteidigung und den von Union und SPD geplanten ungedeckelten Mehrausgaben fordern die Grünen Änderungen. Es gehe bei Verteidigung um mehr als nur die Bundeswehr, sagte Co-Fraktionschefin Haßelmann. Krisenresilienz, Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit wie auch Unterstützung für die Ukraine seien ganz zentrale Faktoren, die Eingang in eine Formulierung finden müssten für eine Grundgesetzänderung. Union und SPD wollen die Verfassung so ändern, dass Verteidigungsausgaben nur noch in Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Das wären derzeit rund 43 Milliarden Euro. Darüber hinaus gäbe es keinen Kreditdeckel.
Co-Parteichefin Brantner forderte eine nachhaltige Reform der Schuldenbremse. Erforderlich seien Investitionen, die den Klimaschutz konkret voranbrächten. Dafür bräuchten auch die Länder und die Kommunen Unterstützung. Co-Parteichef Felix Banaszak kündigte einen eigenen Gesetzentwurf zu Fragen der Sicherheit und der Verteidigungsfähigkeit an. “Das Ziel ist, am Ende zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen”, sagte Banaszak. “Aber den Einigungsdruck und die Notwendigkeit, jetzt einen Schritt auf andere zuzugehen, sehen wir bei Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil.”
Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Beck, warf Union und SPD vor, mit dem geplanten Sondervermögen für Infrastruktur wollten sie sich im regulären Haushalt Spielraum schaffen etwa für Steuersenkungen für Klientelgruppen oder sehr viel Verdienende “in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe”. Beck forderte eine Beteiligung von “extrem Vermögenden an der Finanzierung” etwa durch einen “Sicherheitssoli”.
(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Scot W. StevensonBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)