– von Andreas Rinke und Holger Hansen und Markus Wacket
Berlin (Reuters) – Nach tagelangem Ringen haben sich Union, SPD und die Grünen auf ein milliardenschweres Finanzpaket geeinigt.
Damit ist der Weg frei, dass der alte Bundestag am Dienstag die Lockerung der Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben sowie ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen mit einer nötigen Zweidrittel-Mehrheit beschließt. Die Länder dürfen sich laut der Einigung von CDU, CSU, SPD und Grünen vom Freitag zudem künftig bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung verschulden. “Deutschland ist zurück”, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil sagte, man habe gemeinsam in der demokratischen Mitte das Fundament gelegt, “dass Deutschland wieder auf die Beine kommt und sich schützen kann”.
Das Bundesverfassungsgericht machte am Freitag ebenfalls den Weg frei für einen Beschluss in der Zusammensetzung des alten Bundestages. Karlsruhe wies Eilanträge von AfD und der Linken zurück, die die Einberufung des alten Parlaments hatten verhindern wollen. Vertreterinnen und Vertreter von CDU, CSU, SPD und Grünen zeigten sich überzeugt, dass ihre Fraktionen nun am Dienstag für die nötige Zweidrittel-Mehrheit der geplanten Grundgesetzänderungen stimmen werden. “Wir haben wirklich sehr, sehr viele positive Rückmeldungen unserer Abgeordneten zu diesem Verhandlungsergebnis bekommen”, sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Man rechne mit zwei, drei Abweichlern, hieß es bei den Grünen an anderer Stelle.
Die Grünen hatten noch am Donnerstag in der ersten Lesung im alten Bundestag ihren Widerstand deutlich gemacht. Sie setzten nun aber Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf von Union und SPD durch: So werden aus dem 500 Milliarden Euro nun 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen. 100 Milliarden gehen nun an die Länder, die damit laut Merz auch die kommunale Wärmeplanung der Kommunen finanzieren sollen. Zudem setzten die Grünen durch, dass es eine Formulierung gibt, wonach die Sonderkreditlinie wirklich für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur genutzt wird. “Es gibt keine Ausreden mehr, es geht um echte Zukunftsinvestitionen”, sagte Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner der Nachrichtenagentur Reuters. “Jetzt muss die Koalition aus Union und SPD beweisen, dass es sie es kann.”
Der designierte Kanzler Merz betonte mit Blick auf die gleichzeitig laufenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD, dass sich nichts am Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushalt geändert habe. “Vor allem die Länder und Kommunen werden davon enorm profitieren. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben”, schrieb CSU-Chef Markus Söder auf dem Kurznachrichtendienst X. SPD-Chef Klingbeil sprach von einer Befreiung von “fiskalischen Fesseln”.
DECKEL FÜR VERTEIDIGUNGSAUSGABEN FÄLLT
Bei den Verteidigungsausgaben setzten die Grünen durch, dass der Wegfall der Schuldenbremse-Begrenzung nicht nur für Ausgaben aus dem Verteidigungshaushalt, sondern für einen erweiterten Sicherheitsbegriff gelten soll. Damit sind etwa Ausgaben für die Nachrichtendienste, den Zivil- und Bevölkerungsschutz, Cybersicherheit oder völkerrechtswidrig überfallene Länder wie die Ukraine gemeint. Merz betonte, dass nun der Weg frei sei, dass Deutschland die Militärhilfe für die Ukraine in diesem Jahr von vier auf sieben Milliarden Euro aufstocken kann. Dies solle erfolgen, nachdem der Bundesrat wie geplant am 21. März seine Zustimmung zu dem Finanzpaket gegeben hat, sagte Merz. Die Grünen wollen eine Entscheidung schon am Dienstag. Die Bundestagsausschüsse sollen sich am Sonntag mit der Einigung beschäftigen.
“Es ist die klare Botschaft an unsere Partner und Freunde, aber auch an die Gegner, an die Feinde unserer Freiheit: Wir sind verteidigungsfähig und wir sind auch jetzt in vollem Umfang verteidigungsbereit”, betonte der CDU-Chef. Es werde an keiner Stelle mehr an den finanziellen Mitteln fehlen, um die Freiheit und den Frieden in Europa zu verteidigen. “Deutschland ist zurück, Deutschland leistet seinen großen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit und des Friedens in Europa.” Auch SPD-Chef Klingbeil sprach von einem wichtigen Signal an die Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump. “Wir haben gemeinsam in der demokratischen Mitte das Fundament gelegt, dass Deutschland wieder auf die Beine kommt und sich schützen kann”, sagte er.
Scharfe Kritik kam von der AfD. “Friedrich Merz hat sich ein weiteres Mal über den Tisch ziehen lassen und ist vor den Begehrlichkeiten der grünen Wahlverlierer in die Knie gegangen”, teilten die Fraktionschefs im Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla, mit. Linke-Chefin Ines Schwerdtner kritisierte gegenüber der Funke-Mediengruppe, dass Union, SPD und Grünen “einen zentralen Fehler der Ampel wiederholt hätten, nämlich Klimaschutz und Aufrüstung ohne sozialen Ausgleich”.
Ökonomen lobten dagegen die Einigung. “Es ist ein sehr guter Kompromiss zwischen Schwarz-Rot und Grün erzielt worden”, sagte Wirtschaftsprofessor Jens Südekum vom Institute for Competition Economics. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erklärte, es sei gut, “dass die deutschen Parteien ihre Einigungsfähigkeit im krisenhaften geopolitischen Umfeld unter Beweis stellen”. Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einem guten Signal, “dass die künftige Regierung jetzt gezielt in den Klimaschutz investieren will”.
(Unter Mitarbeit von Christian Krämer und Rene Wagner. Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)