Ökonomen begrüßen Finanzpaket-Kompromiss – “Großer Wumms”

Berlin (Reuters) – Top-Ökonomen loben die Einigung von Union, SPD und Grünen auf ein milliardenschweres Finanzpaket.

“Es ist ein sehr guter Kompromiss zwischen Schwarz-Rot und Grün erzielt worden”, sagte Wirtschaftsprofessor Jens Südekum vom Düsseldorf Institute for Competition Economics am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Er hob hervor, dass das Prinzip der Zusätzlichkeit in der Verfassung verankert werden soll. “Das ist gut so, denn es ist das stärkste mögliche Signal, dass die Milliarden aus dem Sondervermögen tatsächlich nur für Infrastruktur ausgegeben werden und zum bisherigen Investitionsniveau hinzukommen”, sagte Südekum. “Es wird dort keinen Verschiebebahnhof geben.”

Ähnlich äußerte sich Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. “Es ist gut, dass die deutschen Parteien ihre Einigungsfähigkeit im krisenhaften geopolitischen Umfeld unter Beweis stellen”, sagte der Finanzexperte. “Mit der Zusätzlichkeitsregel wird die Gefahr verringert, dass die Gelder des neuen Sondervermögens zweckentfremdet und zum Beispiel in die Rente fließen.” Es sei aber bedauerlich, dass die Schuldenfinanzierung der Verteidigung schon bei 1,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beginnen dürfe. Denn auf Dauer sollten hohe Verteidigungskosten nicht schuldenfinanziert werden.

“Auf der Koalition lastet jetzt eine große Verantwortung, mit dem erheblichen finanziellen Spielraum verantwortungsvoll umzugehen”, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick. Vor allem im Bereich der Verteidigung müsse es darum gehen, Investitionen in Hochtechnologie und den Anteil von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben massiv zu erhöhen, um für die Konflikte von morgen vorbereitet zu sein. Dies würde auch die größten positiven Effekte für Wachstum und Innovation im zivilen Sektor bringen. “Wenn dies umgesetzt wird, können von diesem Paket erhebliche Wachstumsimpulse für die schwächelnde deutsche Wirtschaft ausgehen”, sagte Schularick.

“ZEITENWENDE IN DEUTSCHER FISKALPOLITIK”

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski wies darauf hin, dass die verabredeten Maßnahmen allein sehr wenig zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beitragen dürften. “Eine moderne Infrastruktur ist für eine der größten Volkswirtschaften der Welt unverzichtbar”, sagte Brzeski. “Aber sie treibt nicht per se Innovationen, sektorale Veränderungen oder neue Wachstumsmöglichkeiten voran.” Unabhängig davon seien aber die Chancen für einen zyklischen Aufschwung der deutschen Wirtschaft aufgrund positiver Stimmungseffekte und höherer Ausgaben deutlich gestiegen. “Insgesamt kann weiter von einem großen Wumms und einer Zeitenwende in der deutschen Fiskalpolitik gesprochen werden”, fügte der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Bantleon, Daniel Hartmann, hinzu. “Dies sorgt für neue Wachstumsimpulse in Deutschland, erhöht aber auch die Inflationsgefahren.”

Südekum wies darauf hin, dass die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ab einem Prozent des BIP mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff versehen werde. “Darüber bekommt die künftige Bundesregierung auch allgemeine Spielräume, die sie aber nicht für kurzfristige konsumtive Zwecke veräußern sollte”, sagte der Ökonom. “Vielmehr sollte sie dafür sorgen, mit diesem Geld die Modernisierungsagenda des Staates zu unterstützen.”

ZEW-Experte Heinemann hält es für wichtig, dass die neue Bundesregierung nun die Haushaltssteuerung verbessert und Gelder zielgenauer einsetzt. “Der Bundeshaushalt muss in Zukunft stärker wirkungsorientiert organisiert werden, sonst werden die neuen Schulden am Ende mehr kosten als nutzen”, warnte er. Eine grundlegende Überarbeitung der Schuldenbremse sollte zudem jetzt nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor die Einigung bestätigt. “Es ist die klare Botschaft an unsere Partner und Freunde, aber auch an die Gegner, an die Feinde unserer Freiheit: Wir sind verteidigungsfähig und wir sind auch jetzt in vollem Umfang verteidigungsbereit”, sagte Merz nach der Einigung über die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und über ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen Infrastruktur.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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