Abweichler und Klagen – neue Unsicherheiten beim Finanzpaket

Berlin (Reuters) – Kurz vor der entscheidenden Abstimmung des alten Bundestages über das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD gibt es neue Unsicherheiten.

Zum einen berichteten mehrere Medien über zahlreiche Abweichler bei Union, SPD und Grünen bei der am Dienstag geplanten Abstimmung über Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben und eine 500 Milliarden Euro umfassende neue Kreditlinie für Investitionen in die Infrastruktur. Zum anderen haben sowohl FDP- als auch AfD-Politiker neue Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Abstimmung eingereicht. Da eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat benötigt wird, ist zudem unklar, ob in der Länderkammer am Freitag eine ausreichende Mehrheit zustande kommen wird.

Nach der Einigung zwischen Union, SPD und Grünen am vergangenen Freitag auf das Finanzpaket und über die Grundgesetzänderungen müsste rechnerisch die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag vorhanden sein. Allerdings hatte etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Partei-Generalsekretär Mario Czaja seine Ablehnung öffentlich gemacht. Es wird bei zahlreichen anderen Unionsparlamentariern spekuliert, dass auch sie mit Nein stimmen könnten.

Bei der SPD gibt man sich dagegen entspannt. “Es ist, glaube ich, bei der CDU noch ein weiterer Weg als bei uns”, sagte SPD-Co-Chefin Saskia Esken in Anspielung auf eine größere Zahl an vermuteten Abweichlern bei der Union. Sie rechnete dagegen mit wenig Widerstand bei der SPD. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sprach davon, dass nach jetzigem Stand auch alle Abgeordneten am Dienstag anwesend sein sollten.

Bei den Grünen war von “zwei, drei Abweichlern” die Rede gewesen. Es habe zwar in der Fraktionssitzung am Montag noch keine Probeabstimmung gegeben, Schwierigkeiten zeichneten sich jedoch nicht ab, sagt Co-Parteichefin Franziska Brantner in Berlin nach der Sitzung. Union, SPD und Grüne verfügen über 31 Stimmen mehr als für eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.

NEUE KLAGEN IN KARLSRUHE

Zweite Unsicherheit sind die in Karlsruhe anhängigen Klagen. So kommen aus den Reihen der FDP-Fraktion neue Eilanträge: Wie es aus der Fraktion heißt, werden die Abgeordneten Florian Toncar, Otto Fricke und Thorsten Lieb einen entsprechenden Antrag einbringen. Bei dem Gesetzgebungsverfahren im Schnellverfahren seien die Mitwirkungspflichten der Parlamentarier verletzt worden. Damit unterschiede sich das Verfahren von den abgelehnten Eilanträgen von Freitag, die darauf abzielten, dass der 20. Bundestag nicht mehr zusammenkommen sollte. Auch Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion hatten erneut einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das milliardenschwere Finanzpaket gestellt. Ein AfD-Sprecher bestätigte dies am Montag und begründete auch den Schritt seiner Partei damit, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages keine Expertenanhörung zugelassen habe.

MACHEN GENUG LÄNDER MIT?

Sollte der Bundestag das Paket passieren lassen, zu dem auch eine Änderung der Schuldenbremse gehört, die den Ländern wieder die Möglichkeit zu einer moderaten Verschuldung von bis zu 0,35 Prozent geben soll, muss am Freitag die Länderkammer zustimmen. Auch dort ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. Es gibt aber etliche Landesregierungen mit Beteiligung von Linken, FDP, BSW und Freien Wählern, bei denen die Zustimmung zumindest unsicher scheint.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zählt auf die Zustimmung seiner Regierung aus SPD, Grünen und Linken zu dem milliardenschweren Finanzpaket in der Länderkammer. “Ich gehe fest davon aus, dass Bremen im Bundesrat zustimmen wird”, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der mit den Freien Wählern regiert, hatte am Sonntag ebenfalls betont, dass er mit einem bayerischen “Ja” rechne. “Ich gehe davon aus, dass der Bundesrat angesichts der enormen Bedeutung des Paketes auch vor dem Hintergrund der internationalen Herausforderungen das Ganze mit einer Zustimmung begleiten wird”, sagte SPD-Generalsekretär Miersch.

Er betonte, dass die Koalitionsgespräche in den Arbeitsgruppen “sehr konzentriert und sehr konstruktiv” begonnen hätten. Er gehe davon aus, dass die Arbeitsgruppen ihre Papiere kommenden Montag vorlegen würden. Die SPD bereite einen digitalen Mitgliederentscheid über den angestrebten Koalitionsvertrag vor.

(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz, Friederike Heine, Christian Krämer, Holger Hansen; redigiert von Christian Götz, Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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