Finanzpaket könnte bayerische Schuldenbremse außer Kraft setzen

– von Jörn Poltz

München (Reuters) – Mit dem von Union, SPD und Grünen vereinbarten Finanzpaket könnten Bayern und weitere Bundesländer wahrscheinlich ohne Umwege die ihren Landesverfassungen verankerten Schuldenbremsen lockern.

Eine Änderung der bayerischen Landesverfassung sei dafür voraussichtlich nicht nötig, sagten Finanzpolitiker aus Regierungs- und Oppositionsparteien in München der Nachrichtenagentur Reuters. Denn wenn die Grundgesetzänderungen wie geplant vom Bundestag und den Ländern im Bundesrat beschlossen würden, könnten damit die Landesregeln unmittelbar außer Kraft gesetzt werden.

In Bayern sind die Hürden für eine Änderung der Landesverfassung besonders hoch, weil dafür neben einer Zweidrittelmehrheit im Landtag auch ein Volksentscheid nötig ist. Dieser ließe sich nach verbreiteter Ansicht erst bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr organisieren, womit das Thema den Kommunalwahlkampf dominieren könnte. Im Bund wollen Union, SPD und Grüne erreichen, dass alle Länder zusammen Kredite von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen dürfen. Nach der bayerischen Verfassung hingegen ist der Landeshaushalt bis auf wenige Notfälle “grundsätzlich ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen”.

Nachdem sich die mit der CSU regierenden Freien Wähler (FW) gegen das Finanzpaket gesperrt haben, wird in Koalitionskreisen mittlerweile mit ihrem Einlenken gerechnet. In diesem Fall könnte die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundesrat mit den Stimmen Bayerns gesichert werden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will den Koalitionsstreit mit einer Krisensitzung der Partner möglichst bis Montagabend ausräumen.

Zwar heißt es im Grundgesetz bereits: “Bundesrecht bricht Landesrecht”. Doch stecke bei einem Widerspruch beider Verfassungen der Teufel im Detail, heißt es in Bayern. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Landtag, Josef Zellmeier (CSU), sagte Reuters, einerseits sei es problematisch, wenn der Bund in Landesverfassungen eingreife. Andererseits halte er es im konkreten Fall für zulässig, weil der Bund den Ländern keine Verpflichtung auferlege, sondern lediglich eine Option einräume. “Das würde unseren Spielraum vergrößern.”

Die Landesfinanzpolitiker Bernhard Pohl (FW), der Bedenken gegen das Finanzpaket geäußert hatte, und Volkmar Halbleib (SPD) verwiesen darauf, dass in Entwürfen zur Grundgesetzänderung ausdrücklich beabsichtigt sei, Landesrecht außer Kraft zu setzen. “Somit ist in Bayern keine Verfassungsänderung erforderlich”, sagte Halbleib. Vorsichtiger äußerte sich der Grünen-Haushaltspolitiker Tim Pargent: Fraglich sei, ob Teile der Landesverfassung trotzdem angepasst werden müssten.

Pargent verwies allerdings auf einen prominenten Fall, in dem bereits ein Teil der Landesverfassung durch das Grundgesetz ausgehebelt geworden war: Die 1946 in Kraft getretene bayerische Verfassung enthielt noch bis 1998 einen Abschnitt zur Todesstrafe. Dieser war jedoch bereits 1949 mit der Verabschiedung des Grundgesetzes ungültig geworden, das die Todesstrafe abgeschafft hatte.

(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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