OECD halbiert Wachstumsprognose für Deutschland nahezu – Nur Mexiko schlechter

Berlin (Reuters) – Die Industriestaaten-Organisation OECD hat ihre Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft für das laufende Jahr nahezu halbiert.

Das Bruttoinlandsprodukt werde nur um 0,4 Prozent zulegen, heißt es in der am Montag veröffentlichten Vorhersage. Im Dezember war die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) noch von 0,7 Prozent ausgegangen. Nur Mexiko schneidet demnach innerhalb der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) schlechter ab. Für 2026 wurde die Prognose ebenfalls gesenkt, wenn auch nur leicht von 1,2 auf 1,1 Prozent. In den beiden vergangenen Jahren ist Europas größte Volkswirtschaft jeweils leicht geschrumpft.

Allerdings ist in den neuen Prognosen das von Union und SPD mit den Grünen verabredete riesige Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur noch nicht berücksichtigt. “Wenn das Finanzpaket beschlossen würde, würde es sich sicherlich signifikant auf das Wachstum 2026 auswirken”, sagten die beiden OECD-Experten Isabell Koske und Robert Grundke der Nachrichtenagentur Reuters. Öffentliche Investitionen würden dadurch steigen, private Investitionen stimuliert. “2025 würden die Effekte aber geringer ausfallen, da die Implementierung von Investitionsprojekten einige Zeit in Anspruch nimmt”, hieß es. Allerdings dürfte die Unsicherheit sinken und das Vertrauen von Investoren und Haushalten zunehmen. Beides könne sich auch schon im laufenden Jahr auf Konsum und private Investitionen auswirken.

“Deutschland kann sich so ein Paket leisten, da seine Schuldenstandsquote geringer ist als die vieler anderer OECD-Länder”, betonten Koske und Grundke. Da aber die Ausgaben für die öffentlichen Renten und Gesundheitssysteme in den nächsten Jahren stark steigen dürften “muss das Paket unbedingt mit fiskalen Strukturreformen verbunden werden, um Spielraum für die Rückzahlung der Schulden zu schaffen”. Die Effizienz der Staatsausgaben müsse gesteigert werden, Ausgaben umgeschichtet und die Steuerbasis verbreitert werden. Steuervergünstigungen und -ausnahmen bei Kapitalertrags- und Erbschaftssteuer, Mehrwertsteuer und Umweltsteuern sollten reduziert werden.

“Damit die geplanten Investitionen in die Verteidigung und die Infrastruktur auch wirklich zügig implementiert werden können, müssen die Beschaffungsverfahren weiter vereinfacht und beschleunigt werden”, sagten Koske und Grundke. Die Planungskapazitäten in den Kommunen müssten ausgebaut sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter vereinfacht und harmonisiert werden. Zudem müssen die Produktionskapazitäten zügig ausgebaut werden. “Denn sonst besteht das Risiko, dass die enorme Nachfrage durch die Investitionspakete zu einer starken Zunahme der Inflation führt”, so Koske und Grundke. Auch sollten Regulierungen und Verwaltungsverfahren überprüft, vereinfacht und harmonisiert werden.

(Bericht von Rene Wagner; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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