Berlin (Reuters) – Die hohen Standortkosten für den Luftverkehr drücken einer Studie zufolge massiv auf die Passagierzahlen.
Die Abschaffung der Luftverkehrsteuer könnte zu 2,55 bis 5,1 Millionen mehr Passagieren führen, die ab Deutschland innereuropäisch fliegen, wie aus einer Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervorgeht, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Wären die Standortkosten auf dem Niveau von 2019 – also vor der Corona-Pandemie – geblieben, wäre die Passagierzahl jetzt um rund 1,8 Millionen höher. Auch die schwache konjunkturelle Entwicklung in Deutschland seit 2019 bremst. Wäre das Bruttoinlandsprodukt im EU-Schnitt gewachsen, könnten es ebenfalls bis zu 1,8 Millionen Reisende mehr sein. Insgesamt liegt die Passagierlücke zum Vorkrisenniveau bei rund 20 Millionen Fluggästen.
“Luftverkehr ist unverzichtbar”, sagte Stefan Schnorr, Staatssekretär im Verkehrsministerium. Deutschland sei als Exportnation auf eine gute Anbindung in die Welt angewiesen. Deswegen müsse bei den hohen staatlichen Kosten gegengesteuert werden. In Europa lägen nur Großbritannien und die Niederlande mit den Airports in London und Amsterdam noch vor deutschen Konkurrenten wie Frankfurt am Main oder München.
DLR-Experte Sven Maertens sagte, eine Abschaffung oder Reduzierung der Luftverkehrsteuer sei ein starker Hebel. Sie greift ab 2011 und spült dem Staat etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr in die Kasse. Auch das Design der Steuer könnte geändert werden, mehr Belastungen für Business-Kunden zum Beispiel und weniger für Economy-Passagiere. In der aktuellen Ausprägung zahlen alle Kunden gleich. Auch mehr Wettbewerb im Markt sei wichtig. Eine stärkere Nutzung von Flughäfen in Rand- und Nachtzeiten könnte ebenfalls eine Option sein.
VERBÄNDE FORDERN: DIE LUFTVERKEHRSTEUER MUSS WEG
Im Vergleich Mai 2024 zu Mai 2019 sind die Standortkosten in Deutschland um 38 Prozent gestiegen, so das DLR. Im restlichen Europa waren es nur 26 Prozent. Dies lag weniger an den Flughafenentgelten, die nur unterdurchschnittlich in Deutschland zulegten. Die staatlichen Standortkosten sprangen aber um 70 Prozent nach oben, während es im restlichen Europa nur 39 Prozent waren. Die Folge: In der EU werden wieder die Passagierzahlen vor der Corona-Zeit erreicht, in Deutschland nur 80 Prozent.
Die hohen Standortkosten sorgen dafür, dass viele Airlines einen Bogen um Deutschland machen oder sich schrittweise zurückziehen. Denn sie können ihre Flugzeuge woanders mit mehr Gewinn einsetzen. So kürzt Europas größter Billigflieger, die irische Ryanair, das Flugangebot an größeren deutschen Airports spürbar – Berlin um 20 Prozent und in Hamburg um 60 Prozent. Zudem soll der gesamte Betrieb in Dortmund, Dresden und Leipzig im Sommer 2025 eingestellt werden.
In einem gemeinsamen Appell von 14 Verbänden und Gewerkschaften hieß es, der Luftverkehrsstandort sei nicht mehr wettbewerbsfähig. Jens Bischof, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), forderte die Abschaffung der Luftverkehrsteuer. “Nur so kann der Luftverkehrsstandort Deutschland wieder ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau erreichen und die Abwanderung von Airlines ins Ausland gestoppt werden.” Alternativ könne es eine Reduzierung geben in Verbindung mit Entlastungen bei den Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren. Andere Staaten handelten: “Schweden schafft in diesem Jahr die Luftverkehrsteuer ersatzlos ab.”
Derzeit reden CDU/CSU und SPD über die Bildung der nächsten Bundesregierung. Im elfseitigen Sondierungspapier vom 8. März spielt der Luftverkehr keine Rolle. Im Wahlprogramm der Union hieß es, die Gesamtkosten des Luftverkehrs sollten auf ein wettbewerbsfähiges europäisches Niveau zurückgeführt werden. Die SPD will die Luftverkehrsteuer in eine EU-Klimaabgabe umwandeln, die von allen Airlines gezahlt wird, auch von denen außerhalb Europas.
(Bericht von Christian Krämer, Mitarbeit von Klaus Lauer, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)