– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem milliardenschweren Finanzpaket von Union und SPD zugestimmt.
In der Länderkammer gab es am Freitag die nötige Zweidrittelmehrheit zur Lockerung der Schuldenbremse zugunsten höherer Verteidigungsausgaben und zur Einrichtung eines Sondervermögens Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro. Mit der von vielen Ministerpräsidenten als historisch bezeichneten Entscheidung können die Länder künftig zudem wieder in beschränktem Maße Kredite bis zu 0,35 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aufnehmen. Das Finanzpaket wird auch als Grundlage für die Bildung der angestrebten Regierung aus CDU, CSU und SPD angesehen.
Der Bundestag hatte am Dienstag den Weg für das Paket freigemacht, das Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als “deutschen Marshall-Plan” bezeichnete. “Deutschland ist zurück”, sagte der CSU-Chef am Freitag. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sprach auch von einem historischen Signal an die europäischen Nachbarn durch das Mega-Investitionspaket.
Von den 16 Bundesländern enthielten sich letztlich nur Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, weil die jeweiligen Koalitionspartner BSW und FDP Einsprüche erhoben. So gab es am Ende 52 Ja-Stimmen, notwendig wären nur 46 der 69 Länder-Stimmen gewesen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hatte aber bereits vor der Sitzung klargemacht, er begrüße das Paket. In Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hatten auch die dort mitregierenden Linken zunächst Einsprüche erhoben, die sie am Freitag aber zurückzogen. Sowohl Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte als auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) konnten deshalb zustimmen. Im Streitfall enthalten sich Koalitionen normalerweise im Bundesrat.
MAHNUNG FÜR KOALITIONSVERHANDLUNGEN
Söder sagte, es müsse bei dem riesigen Kreditrahmen für Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben nun genau festgelegt werden, wofür sie ausgegeben werden. “Dies ist kein Selbstbedienungsladen für irgendwelche Projekte, die schon immer gemacht werden sollten”, warnte er. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen mit der SPD mahnte er ebenso wie Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), dass nun Strukturreformen kommen müssten. Damit die Investitionen abfließen könnten, brauche man eine “Sonderplanungsbeschleunigung”. Beide wiesen die Kritik etwa von AfD oder FDP an der nun erlaubten hohen Schuldenaufnahme zurück. Die versäumten Investitionen in die Infrastruktur in den vergangenen Jahren seien “versteckte Schulden”, sagte Rhein.
Die Länder erhalten aus der neuen Kreditlinie des Bundes für Investitionen 100 Milliarden Euro. Etliche Ländervertreter mahnten, dass dies nun nicht dazu führen dürfe, dass der Bund aus der Ko-Finanzierung mit den Ländern aussteige oder andere Zuschüsse kürze. Niedersachsen und Bremen mahnten etwa Investitionen auch des Bundes in die Hafen-Infrastruktur an. “Zielgenauigkeit, Zügigkeit und Zusätzlichkeit” seien die drei Kriterien, die nun bei der Verwendung berücksichtigt werden müssten, sagte Saarlands Regierungschefin Rehlinger (SPD).
Etliche Ministerpräsidenten nannten Schwerpunkte, wo sie das zusätzliche Geld des Bundes, das über zwölf Jahren fließen soll, ausgeben möchten. Söder erwähnte die Rüstungsindustrie, aber auch den Forschungsbereich. “Es ist sehr wichtig, dass wir investieren in Schiene, Straße, aber auch vor Ort, in Kitas, Schulen, Krankenhäuser”, sagte Schwesig. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, Investitionen für Infrastruktur seien oft auch mit der Verteidigungsfähigkeit des Landes verbunden. Hintergrund ist etwa, dass viele Brücken oder Straßen nicht mehr für den Transport von Panzern im Konfliktfall geeinigt sind, und Pipelines, Datenverbindungen und Einrichtungen für den Zivilschutz fehlen.
Vor allem die SPD-Länderchefs pochten zudem darauf, dass Union und SPD das Versprechen einhalten müssten, bis Jahresende auch eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse zu beschließen. Eine entsprechende Zusage hatten die Parteien im Bundestag am Dienstag gegeben. Dies würde im neuen Bundestag nur in Abstimmung mit den Linken möglich sein. AfD und Linke haben im neuen Bundestag eine Sperrminorität für Entscheidungen, die mit Zweidrittel-Mehrheit getroffen werden müssen.
KRITIK DER GRÜNEN
Vor allem von den Grünen kam Kritik an dem Verfahren, in großer Eile nach der Bundestagswahl die Grundgesetzänderung zugunsten höherer Bundeswehrausgaben und das Sondervermögen durch den alten Bundestag zu peitschen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach von einer “Zumutung”. NRW-Vizeministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) kritisierte, Länder und Kommunen erhielten nur 20 Prozent des Sondervermögens Infrastruktur, sorgten aber für 60 Prozent der Investitionen. Es sei bei der künftig wieder möglichen Verschuldung der Länder zudem unklar, ob deren bisheriger Schuldenstand eine Rolle spiele und was mit den kommunalen Altschulden geschehe.
(Mitarbeit: Christian Krämer, redigiert von Ralf Bode.)