Berlin (Reuters) – Knapp jeder zweite Beschäftigte in Deutschland ist in einem Betrieb mit Tarifvertrag tätig.
2024 galt das für 49 Prozent der Beschäftigten, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. “Damit blieb die Tarifbindung im Vergleich zu den Vorjahren konstant”, hieß es. Allerdings: Dem gewerkschaftsnahen WSI-Institut lag der Anteil im Jahr 2000 noch bei mehr als zwei Dritteln.
Zwischen den einzelnen Branchen und auch regional bestehen deutliche Unterschiede. Am höchsten ist die Tarifbindung im Bereich “Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung” mit 100 Prozent. Es folgen “Energieversorgung” (84 Prozent), “Erziehung und Unterricht” (80 Prozent) sowie “Finanz- und Versicherungsdienstleistungen” (72 Prozent). Die geringste Tarifbindung weisen die Branchen “Land- und Forstwirtschaft, Fischerei” (11 Prozent), “Kunst, Unterhaltung und Erholung” (20 Prozent), “Grundstücks- und Wohnungswesen” (22 Prozent) sowie das Gastgewerbe und die “Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen” (jeweils 23 Prozent) auf. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Tarifbindung in den Branchen kaum verändert, fanden die Statistiker heraus.
Regional fällt sie unterschiedlich aus. Die Tarifbindung in Bremen (56 Prozent), im Saarland (54 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (51 Prozent) ist am höchsten. Die niedrigsten Werte weisen Sachsen (42 Prozent), Berlin (44 Prozent), Thüringen (45 Prozent) und Schleswig-Holstein (46 Prozent) aus.
“MILLIARDEN BEVORZUGT AN TARIFGEBUNDENE BETRIEBE”
Betriebe mit Tarifvertrag bieten Mitarbeitern laut einer Studie des gewerkschaftsnahen Instituts WSI weit bessere Arbeitsbedingungen als vergleichbare Firmen ohne. So würden Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen im Mittel 53 Minuten länger arbeiten und trotzdem gut zehn Prozent weniger verdienen. “Ohne Tarifverträge verdienen die Beschäftigten deutlich weniger, arbeiten erheblich länger und haben insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen”, fasste WSI-Tarifexperte Thorsten Schulte zusammen.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung forderte die künftige Bundesregierung dazu auf, ihrem Bekenntnis zu einer hohen Tarifbindung auch Taten folgen lassen. “Insbesondere, wenn zukünftig viele Milliarden Euro für zusätzliche öffentliche Investitionen ausgegeben werden, muss sichergestellt werden, dass dies bevorzugt an Unternehmen mit Tarifvertrag geht”, forderte WSI-Experte Schulte.
(Bericht von René Wagner, redigiert von Kerstin Dörr)