Berlin (Reuters) – CDU-Chef Friedrich Merz als wahrscheinlich nächster Kanzler sieht eine ausreichende Vertrauensbasis mit der SPD für eine Koalition.
Dies sei für ihn eine der wichtigsten Fragen derzeit, sagte Merz am Freitag beim FAZ-Kongress in Frankfurt am Main. “Vertrauen, auch im persönlichen Umgang miteinander, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man gemeinsam Erfolg hat.” Er habe in gewisser Weise, wenn auch nicht im Übermaß, ein Interesse an einer starken SPD und einem erfolgreichen Parteichef Lars Klingbeil. Ziel müsse sein, dass Union und SPD bei der nächsten Bundestagswahl stärker werden könnten, die Union auf über 30 Prozent komme und die SPD auf über 20 Prozent. Es brauche stabile Parteien in der Mitte des politischen Spektrums.
“Wenn es uns nicht gelingt, ist meine politische Karriere eh beendet, zu einem Zeitpunkt, zu dem ich damit umgehen kann”, sagte der 69-jährige Merz weiter. “Für Lars Klingbeil ist der Zeitpunkt dann ein bisschen zu früh.” Zu den in Berlin laufenden Koalitionsverhandlungen wollte sich Merz nicht konkret äußern. Die CDU habe aber in den Sondierungsgesprächen mit der SPD neun von 15 ihrer zentralen Forderungen aus ihrem Sofortprogramm durchgesetzt. Dazu gehörten Politikwechsel bei der Migration, beim Bürgergeld und bei den Energiepreisen.
Union und SPD hatten noch vor der Einigung auf einen Koalitionsvertrag zentrale Pfeiler in der Finanzpolitik vereinbart. So wurden bereits Grundgesetzänderungen beschlossen, um deutlich mehr Geld in die Verteidigung stecken zu können. Außerdem wird es ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen zur Modernisierung der Infrastruktur geben. Im Wahlkampf hatte Merz stets betont, den Schwerpunkt auf Einsparungen im Haushalt setzen und erst nach Strukturreformen für eine Lockerung der Schuldenbremse reden zu wollen.
VORWURF DER WÄHLERTÄUSCHUNG
Im ZDF-Politbarometer, das auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen beruht und das der Sender am Freitag veröffentlichte, sprachen 73 Prozent der Befragten von Wählertäuschung. Bei den Anhängern der Union waren es 44 Prozent. Nur 37 Prozent – deutlich weniger als zuletzt – finden es gut, wenn Merz Kanzler wird. 68 Prozent gaben an, dass sich CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen stärker durchsetzen werden. Nur 24 Prozent prognostizieren eine stärkere Handschrift der SPD.
“Das lässt mich nicht kalt”, sagte Merz mit Blick auf den Vorwurf, zentrale Wahlkampfversprechen schon gebrochen zu haben. “Die Vorwürfe, die beschäftigen mich auch, die beschweren mich auch. Sie sind ja auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.” Angesichts des Kurses der neuen US-Regierung von Donald Trump habe er aber abwägen müssen, jetzt schnell zu handeln oder abzuwarten. Handeln sei die bessere Alternative gewesen. “Ich weiß, dass ich jetzt einen sehr hohen Kredit in Anspruch genommen habe, auch was meine persönliche Glaubwürdigkeit betrifft.”
Merz bekräftigte zudem, eine härtere Migrationspolitik gegen die SPD durchsetzen zu wollen. Dies sei nötig, um die Erwartungen der Bürger zu erfüllen und die Probleme in dem Bereich zu lösen. Sonst werde man den Rechtspopulisten spätestens bei der nächsten Wahl den roten Teppich ausrollen. “Ich habe nicht vor, das zu tun.”
Der CDU-Chef versprach einen sorgsamen Umgang mit dem Geld aus dem riesigen Finanzpaket. “Wir brauchen eine komplett andere Bundeswehr.” Die Beschaffung müsse geändert werden, damit das Geld sinnvoll eingesetzt werde. Die Vorschläge von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu einer Erfassung von jungen Männern gingen in die richtige Richtung. Strukturen für eine ganz schnelle Wiedereinführung der Wehrpflicht gebe es aber nicht. Deswegen sollten junge Menschen erfasst und ihnen ein Angebot unterbreitet werden. Eine deutsche Truppenpräsenz in der Ukraine sei für ihn derzeit nicht vorstellbar. Der Ukraine müsse aber geholfen werde, um im Kampf gegen Russland bestehen zu können.
(Bericht von Christian Krämer. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)