Istanbul (Reuters) – Die türkische Regierung hat vor aktuellen Aufrufen der wichtigsten Oppositionspartei zu Straßenprotesten gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu gewarnt.
Innenminister Ali Yerlikaya sagte am Freitag, bislang seien 53 Menschen festgenommen und 16 Polizisten bei Protesten verletzt worden. Am Donnerstag hatten sich die Demonstrationen auf das Universitätsgeländen und das Rathaus von Istanbul konzentriert, vereinzelt kam es dabei zu gewaltsamen Zusammenstößen.
Imamoglu gilt als wichtigster politischer Rivale von Präsident Tayyip Erdogan und soll Präsidentschaftskandidat der wichtigsten Oppositionspartei CHP werden. In Umfragen liegt er bei den Sympathiewerten vorn. Der 54-Jährige war am Mittwoch wegen Vorwürfen der Korruption und der Unterstützung einer Terrorgruppe festgenommen worden. Daraufhin kam es landesweit zu Protesten. Die CHP verurteilte den Schritt als politisch motiviert und forderte die Menschen zu legalen Demonstrationen auf. Europäische Politiker kritisierten die Festnahme als demokratischen Rückschritt.
Yerlikaya und Justizminister Yilmaz Tunc bezeichneten die Aufrufe zum Protest von CHP-Chef Ozgur Ozel angesichts eines viertägigen Versammlungsverbots als unverantwortlich. “Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sind Grundrechte. Aber während einer laufenden Ermittlung zu Protesten aufzurufen, ist illegal und inakzeptabel”, schrieb Tunc am frühen Freitag auf X. Er rief zur Ruhe auf und mahnte, die “unabhängige und unparteiische Justiz” bewerte den Fall. Er warnte davor, Erdogan mit Imamoglus Festnahme in Verbindung zu bringen. Beobachter gehen allerdings sehr wohl davon aus, dass bei Entscheidungen der Justiz der Standpunkt Erdogans eine Rolle spielt.
Reguläre Präsidentschaftswahlen in der Türkei sind erst für 2028 angesetzt. Erdogan könnte sie aber vorziehen, um eine Begrenzung auf zwei Amtszeiten zu umgehen, falls er wieder antreten will. Imamoglus Festnahme ist der vorläufige Höhepunkt einer monatelangen juristischen Kampagne gegen Oppositionelle, die als Versuch kritisiert wird, deren Wahlchancen zu schmälern und abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück.
(Bericht von Tuvan Gumrukcu, bearbeitet von Alexander Ratz, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)