Union und SPD wollen zurück zur alten Bürgergeldberechnung

– von Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Union und SPD wollen bei der Festlegung des Bürgergeldes zum alten Verfahren zurückkehren, bei dem sich Preissteigerungen erst nachträglich in der Höhe der Unterstützung auswirken.

Darauf verständigten sich Fachpolitiker von CDU, CSU und SPD bei den laufenden Koalitionsverhandlungen, wie aus dem der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorliegenden Abschlusspapier der Arbeitsgruppe hervorgeht. Die monatlichen Zahlungen zum Lebensunterhalt im Bürgergeld waren zuletzt stark gestiegen, um 53 Euro im Jahr 2023 und 61 Euro 2024. Für 2025 gab es keine Erhöhung.

Mit dem Papier auf Arbeitsebene ist aber noch keine Entscheidung gefallen. Was im Koalitionsvertrag steht, wird von einer Spitzenrunde mit den Parteivorsitzenden entschieden.

Ausschlaggebend für die kräftigen Anhebungen war die hohe Inflation, die zeitnäher bei der Berechnung berücksichtigt wurde. Im Nachhinein wurde deutlich, dass die Erhöhung zu hoch ausfiel, weil die Entwicklung der Inflation überschätzt wurde. Nach Berechnungen aus dem Arbeitsministerium im September 2024 hätte das Bürgergeld von 563 Euro im Monat eigentlich um 24 Euro verringert werden müssen. Eine Schutzklausel verhindert eine Kürzung.

“Wir werden den Anpassungsmechanismus der Regelsätze in Bezug auf die Inflation auf den Rechtsstand vor der Corona-Pandemie zurückführen”, heißt es in dem Papier. Ob auch eine Kürzung möglich sein soll, wird nicht erwähnt. Auch für 2026 wird eine Nullrunde im Bürgergeld erwartet, das 2023 auch mit den Stimmen der Union eingeführt worden war. Zuvor war die Grundsicherung für Arbeitsuchende als Hartz IV bekannt.

Union und SPD wollen das Bürgergeld “zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende” umgestalten. Sanktionen sollen verschärft und schneller und einfacher durchgesetzt werden können. Die Zuverdienstregeln sollen reformiert werden.

ALLE SOZIALLEISTUNGEN AUF DEM PRÜFSTAND

Die Fachpolitiker wollen zudem alle Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen in einem “Sozialstaatswirksamkeitsbericht”. Alle beitrags- und steuerfinanzierten Sozialleistungen sollen “auf ihre Wirksamkeit, finanzielle Nachhaltigkeit, volkswirtschaftliche Wirkung und gesellschaftliche Resilienz” untersucht werden. Damit solle die “Grundlage für die notwendige Diskussion über die künftige Gestaltung und die langfristige Finanzierbarkeit der Sozialversicherung” geschaffen werden. Eine Kommission zur Sozialstaatsreform mit Ländern und Kommunen soll im letzten Vierteljahr 2025 Vorschläge etwa für Vereinfachungen und zur Zusammenlegung von Sozialleistungen machen.

An vielen Stellen werden in dem Papier strittige Punkte deutlich, etwa ob es bei einem “Familienbudget für Alltagshelfer” um Steuervorteile oder Zuschüsse gehen soll. Die SPD möchte, dass die im Sondierungspapier getroffene Aussage, dass ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar sei, durch den Zusatz ergänzt wird “und soll umgesetzt werden”. Die im Sondierungspapier vereinbarte “Sicherung des Rentenniveaus” will die SPD mit “dauerhaft bei 48 Prozent” präzisieren. Auch die Finanzierung der höheren Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder bleibt offen. Die SPD fordert eine Finanzierung aus Steuermitteln. Die Rentenversicherung schätzt die zusätzlichen Kosten auf jährlich etwa fünf Milliarden Euro.

(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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