Wirtschaft und Regierung gegen Boykott von US-Waren – “Falsche Antwort”

Berlin (Reuters) – Wirtschaft und Bundesregierung halten Aufrufe zum Boykott amerikanischer Waren wegen zunehmender Konflikte mit den USA nicht für den richtigen Weg.

“Auch wenn wir in politischen Fragen derzeit häufig anderer Meinung sind, wäre ein Boykott die falsche Antwort”, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. “Wir sollten die ohnehin schon komplexe Lage nicht weiter zuspitzen. Statt uns mit Boykotten, Zöllen und Gegenzöllen zu überziehen, sollten wir besser mit den USA in den Dialog über die transatlantischen Handelsfragen der Zukunft kommen.”

Ähnlich äußerte sich die Bundesregierung. “Sie wissen, dass die Bundesregierung an guten Beziehungen und auch guten Handelsbeziehungen zu den USA interessiert ist. Und wir tun auch alles dafür”, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Gerade für eine exportstarke Nation wie Deutschland gelte, “dass wir nicht mehr Handelshemmnisse brauchen, sondern weniger”, betonte er. “Insofern schließen wir uns solchen Forderungen nicht an.”

“WICHTIGSTER HANDELSPARTNER”

Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump vor gut zwei Monaten haben sich die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu vielen langjährigen Verbündeten verschlechtert. Große Boykottbewegungen gegen US-Waren gibt es in Kanada und Dänemark – vor allem, weil Trump Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen möchte und das zu Dänemark gehörende Grönland kaufen will. Auch in der Europäischen Union, der Trump mit hohen Strafzöllen droht, regt sich Protest. Auf der Online-Plattform Reddit haben sich 189.000 Mitglieder in dem Forum “BuyFromEU” organisiert, wo europäische Alternativen zu US-Produkten angepriesen werden.

“Die USA sind der wichtigste deutsche Handelspartner”, sagte BGA-Präsident Jandura. “Beide Wirtschaftsräume, die USA und der europäische Binnenmarkt, haben ein elementares Grundinteresse an funktionierenden wirtschaftlichen Beziehungen.” Mit einem Außenhandelsumsatz – der Summe von Exporten und Importen – von 252,8 Milliarden Euro waren die USA im vergangenen Jahr erstmals seit 2015 wieder Deutschlands wichtigster Handelspartner. Damit wurde China abgelöst. Allein die deutschen Exporte in die USA summierten sich auf mehr als 161 Milliarden Euro und erreichten damit einen Rekordwert.

Unter den deutschen Exporteuren schwindet trotz der Zolldrohungen von Trump allmählich der Pessimismus. Das Barometer für die Exporterwartungen in der Industrie stieg im März auf minus 1,6 Punkte von minus 4,7 Zählern im Februar, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner Umfrage mitteilte. Mit dem zweiten Anstieg in Folge wurde der beste Wert seit Mai 2024 erreicht. “In der Exportwirtschaft keimt ein wenig Hoffnung auf”, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. “Die kommende Entwicklung auf den Weltmärkten mit Blick auf die Zolldrohungen bleibt aber mit hoher Unsicherheit behaftet.”

(Bericht von Andreas Rinke und Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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